Idiotie mit Hoffnung
Trump - und der leninistische Versuch, Ewigkeit neu zu definieren
Donald Trump ist gefährlich. Trump, auch wenn er schlau vorgeht, ist dumm. Trump ist Ausdruck der US-amerikanischen Scham, außer McDonald›s und Coke zu wenig Müll auf den Markt geworfen zu haben. Aber: Trump hat den Kampf um die US-amerikanische Arbeiterklasse gewonnen. Arbeiterklasse ist nichts, was man beschönigen sollte.
Entsetzlich an Trump ist auch, dass er hierzulande, in linken Gesinnungsgettos, jenen hirnlosen Antiamerikanismus schüren könnte, der in Kaltkriegszeiten als Klassenstandpunkt galt. Vor Jahren schrieb Botho Strauß: »Zuweilen sollte man prüfen, was an der eigenen Toleranz echt ist und was sich davon dem verklemmten deutschen Selbsthass verdankt, der die Fremden willkommen heißt, damit hier, in seinem verhassten Vaterland, sich die Verhältnisse endlich zu jener berühmten (›faschistoiden‹) Kenntlichkeit entpuppen, wie es einst in der Verbrecher-Dialektik des linken Terrors hieß.« Ist das so weit hergeholt? So sehr falsch? Gibt es in Nähe zu dieser These wirklich kein Händereiben darüber, wie Trump dieses US-Amerika entblößen, blamieren, es also links wieder verlässlich hassenswert machen könnte? Antiamerikanismus ist ebenso ein pulsierendes Erbe des Stalinismus wie jener schnappatmende prorussische Solidarreflex, wenn derzeit irgendwo jemand den Putinismus kritisiert.
Noch einmal: Trump ist das blöde Beispiel für die Beharrung der Schöpfung auf Versuch und Irrtum. Ein solcher Ausbund, dass man krampfhaft nach einem Positivum sucht. Es gibt eines! Er ist - abwählbar! Und insofern gehört zur Idiotie, die in einer Demokratie möglich ist, immer auch die Hoffnung: Idiotie ist befristet.
2017 erinnert auch an hundert Jahre Oktoberrevolution. Es gibt dieses warnende Schreiben des todkranken Lenin an den Parteitag: Nachfolger Stalin sei zu grob für den Posten des Parteichefs. Eine weitsichtige Mahnung, die für Lenin spricht? Heißt es allenthalben. Nein! Lenin offenbarte mit seinem Brief diktatorische Strukturen, die zu ändern er nie im Sinn hatte. Denn die problematischen Eigenschaften eines Spitzenpolitikers sind in heutigen demokratischen Strukturen zwar auch ein Problem (Trump!), aber letztlich kein zementiertes. Entlarvend, dass ein System für Machtpositionen gewissermaßen lupenreine, charakterlich unanfechtbare Leute benötigt. Eben weil negative Eigenschaften angesichts der uneingeschränkten Machtfülle und vor allem -dauer verheerende Folgen haben können. Lenin plädierte nicht für jene Demokratisierung der Strukturen, die charakterliche Gefahren durch Befristung in Schach hält, nein, er suchte nach dem Idealtypus für das weiterhin gültige Allmachtsprinzip seiner militarisierten Kaderpartei. So begann, mit der Geschichte der Generalsekretäre, der leninistische Versuch, Ewigkeit neu zu definieren.
Trump triumphiert. Aber nur auf Zeit. Es gibt also noch in diesem sehr trüben Moment westlicher Demokratie einen Grund, sie unbedingt zu feiern. Paradox? Na wunderbar!
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