Inflation ist fast zurück auf normal

Verbraucherpreise stiegen im Dezember überraschend schnell um 1,7 Prozent / EZB bleibt vermutlich bei ihrem geldpolitischen Kurs

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer Ende Dezember vergangenen Jahres einkaufen war, der staunte nicht schlecht. Mitunter sechs Euro verlangte der Supermarkt für ein Kilo Zucchini. Ganz schön teuer, doch der Einzelhändler lag damit voll im Trend. Um 7,1 Prozent verteuerte sich das Gemüse im Dezember im Vergleich zum November, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Im Vorjahresmonatsvergleich lag die Teuerungsrate für Tomaten, Paprika und Co. sogar bei fast zehn Prozent.

Auch insgesamt dürften Ökonomen bei der nun bekanntgegebenen Inflationsrate für vergangenen Dezember erstaunt sein. Alles in allem stiegen die Preise im Vergleich zum Vorjahresmonat um 1,7 Prozent an, während von Januar bis November 2016 die Inflationsraten durchweg unterhalb von einem Prozent gelegen hatten, wie die amtlichen Statistiker schreiben. Eine höhere Inflationsrate als im Dezember hatte es zuletzt im Juli 2013 gegeben. Damals stiegen die Preise um 1,9 Prozent an.

Noch mehr als die Lebensmittel- sorgten die Energiepreise für die beschleunigte Inflation zum Jahresende. Im Vergleich zu Dezember 2015 waren leichtes Heizöl um 21,9 Prozent und Kraftstoffe wie Superbenzin und Diesel um 6,0 Prozent teurer. Damit kehrte sich die Entwicklung der vergangenen Monate um. Im Jahresdurchschnitt hatten sich die Energieprodukte noch um 5,4 Prozent verbilligt. Der Grund hierfür war ein massiver Ölpreisverfall zwischen Sommer 2014 und dem vergangenen Winter, der 2016 an die Verbraucher weitergegeben wurde.

Zwischenzeitlich war der Ölpreis auf fast nur noch ein Viertel des ursprünglichen Preises abgestürzt. Mittlerweile liegt er wieder bei rund der Hälfte. Dieser Preissturz brachte zum einen energieexportierende Länder wie Russland und Venezuela in Bedrängnis. Zum anderen sorgte er hierzulande nach Ansicht der meisten Ökonomen neben den niedrigen Preisen auch für einen Extraaufschwung, weil Unternehmen dadurch billige Energie bekamen und den privaten Haushalten mehr Geld für zusätzlichen Konsum blieb.

Die wiederkehrende Inflation ist Munition für die Gegner der gegenwärtigen Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Die versucht, mit historisch niedrigen Zinsen und dem Aufkauf von Wertpapieren die Preissteigerung in der Eurozone wieder auf die Zielmarke von knapp unter zwei Prozent zu bringen und die Konjunktur zu stabilisieren. In Deutschland werden solche Maßnahmen jedoch nicht gern gesehen. EZB-Chef Mario Draghi enteigne mit seiner Niedrigzinspolitik die heimischen Sparer, lautet etwas zugespitzt der Vorwurf, den im Prinzip auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) teilt. »Die Europäische Zentralbank wird die schwierige Aufgabe zu lösen haben, aus der ultraexpansiven Geldpolitik wieder rauszukommen«, sagte er jüngst der »Süddeutschen Zeitung«. Es werde vermutlich richtig sein, wenn die EZB in diesem Jahr beginne, den Einstieg aus dem Ausstieg zu wagen.

Doch Draghi wird diesen Donnerstag vermutlich nach der EZB-Ratssitzung verkünden, dass die Zentralbank ihren lockeren Kurs in der Geldpolitik beibehält. Noch im Dezember hatten die obersten Währungshüter der Eurozone nämlich entschieden, das derzeitige Anleihekaufprogramm in vermindertem Umfang bis Dezember 2017 zu verlängern.

Der Grund: Mario Draghi und seine Kollegen haben bei ihren Entscheidungen nicht allein die Teuerung und Konjunktur in Deutschland zu beachten. Sie sind für die gesamte Eurozone verantwortlich. Und dort zeigt sich ein anderes Bild: Zwar stiegen auch in der gesamten Währungsunion die Preise im vergangen Dezember überraschend schnell. Doch mit einer durchschnittlichen Rate von 1,1 Prozent ist die Inflation in der Eurozone noch weit von der Zielmarke von zwei Prozent entfernt.

Und auch hierzulande ist man längerfristig betrachtet noch weit weg vom EZB-Ziel: Im Jahresdurchschnitt stiegen die Preise lediglich um 0,5 Prozent. Auch dieses und kommendes Jahr wird die Inflation vermutlich nicht ausufern. Die Bundesregierung ging in ihrer Herbstprojektion für 2017 zuletzt von einer Inflation in Höhe von 1,6 und für 2018 von 1,7 Prozent aus. Zudem könnten politische Risiken wie die anstehenden Brexit-Verhandlungen und die US-Präsidentschaft von Donald Trump vielleicht ein neues Eingreifen der EZB erfordern.

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