Druckaufbau im Öffentlichen Dienst
Die Gewerkschaften starten offensiv in die Verhandlungen mit der Tarifgemeinschaft der Länder
Die Warnstreiks im Öffentlichen Dienst setzen sich fort. Nachdem es am Mittwoch etwa in Schwerin eine große Kundgebung gegeben hatte, beteiligten sich am Donnerstag in Hamburg in mehreren Schulen Pädagogen, Verwaltungsangestellte sowie Reinigungskräfte und Hausmeister an Aktionen. In Schleswig-Holstein waren die 1400 Beschäftigten des Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr zu Ausständen aufgerufen, der Winterdienst sollte aber sichergestellt werden. Auch in Niedersachsen streikten Straßenwärter. In Erfurt wurden Hunderte zu einer Kundgebung am Nachmittag erwartet.
Die bundesweite Warnstreikwelle ist ein erster Höhepunkt der Tarifrunde im Öffentlichen Dienst der Länder. Am Dienstag war die zweite Runde der Tarifverhandlungen zwischen den Gewerkschaften und dem Arbeitgeberverband Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) in Potsdam ergebnislos geblieben. Die zentralen Verhandlungen sollen am 16. Februar fortgesetzt werden.
Tarifpartner der TdL sind die Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes. Dabei ziehen die DGB-Gewerkschaften, der Beamtenbund (dbb) und die Ärztevereinigung Marburger Bund (MB) seit geraumer Zeit an einem Strang. Sie fordern bei einer Laufzeit von 12 Monaten eine Einkommenserhöhung von sechs Prozent und einen Sockel- und Mindestbetrag für die unteren Einkommensgruppen. Für Auszubildende wird ein Plus von 90 Euro gefordert. Ebenso drängen die Gewerkschaften auf einen Ausschluss sachgrundloser Befristungen von Arbeitsverträgen, die in vielen Betrieben um sich greifen.
Während die TdL die Gewerkschaftsforderungen als »überhöht« ablehnt, spricht ver.di-Chef Frank Bsirske von einem einen »deutlichen Nachholbedarf« im Öffentlichen Dienst gegenüber der Tarifentwicklung in der Privatwirtschaft. Zudem habe sich der Spielraum für Lohnsteigerungen durch sprudelnde Steuereinnahmen verbessert. »Die Beschäftigten in Krankenhäusern, Verwaltungen, Betrieben und anderen Einrichtungen arbeiten hoch motiviert für die öffentliche Daseinsvorsorge«, so Bsirske. Nur mit guten Einkommen und Arbeitsbedingungen bleibe der Öffentliche Dienst ein attraktiver Arbeitgeber. »Die Landesbeschäftigten hinken den Beschäftigten bei Bund und Kommunen jetzt schon um rund vier Prozent hinterher«, sagte dbb-Chef Klaus Dauderstädt. Das müsse sich ändern.
Die TdL war 1949 gegründet worden und umfasst derzeit alle Länder außer Hessen. Das Sechsmillionenland war 2004 ausgetreten, nachdem die damalige CDU-Alleinregierung trotz massiver Proteste Kürzungen in Milliardenhöhe beschlossen und eine Arbeitszeitverlängerung für Beamte auf 42 Wochenstunden angeordnet hatte. Erst 2009 einigte man sich auf ein eigenständiges Tarifwerk, das sich in wichtigen Teilen an die TdL-Normen anlehnt. Eine Rückkehr in die TdL lehnt die schwarz-grüne Landesregierung aber ab.
Um in der ebenfalls angelaufenen eigenständigen Tarifrunde für die rund 45 000 Landesbeschäftigten in Hessen ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, rufen die Gewerkschaften für kommenden Mittwoch zu einem Warnstreik mit zentraler Kundgebung in der Hauptstadt Wiesbaden auf. »Bei Steuermehreinnahmen von 1,1 Milliarden Euro kann von Lohnzurückhaltung keine Rede mehr sein«, heißt es in einem ver.di-Flugblatt in Anspielung an den Haushaltsüberschuss des Landes für 2016.
Sachgrundlose Befristungen sind auch in hessischen Hochschulen und Theatern ein Problem. Die Bildungsgewerkschaft GEW sieht sich in der Forderung nach attraktiveren Einkommen und Arbeitsbedingungen durch einen Vorstoß von Kultusminister Alexander Lorz (CDU) bestätigt. Dieser hatte dieser Tage Lehrkräfte im Ruhestand schriftlich aufgefordert, in den Schuldienst zurückzukehren und so den Lehrermangel vor allem in Grund- und Förderschulen zu beheben.
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