Ein Dampfer auf dem Kirchberg

Luxemburg ist mehr als eine Steueroase. Von Geraldine Friedrich

  • Geraldine Friedrich
  • Lesedauer: 3 Min.

Schwarzgeld und Steueroasen, das verbinden viele mit Luxemburg. Und wenn man dem Ganzen etwas Positives abgewinnen will, so lässt sich sagen: einige der schicksten Gebäude Luxemburgs würden ohne die Finanzindustrie sicher nicht stehen. Allem voran das vom Luxemburger Architekten François Valentiny entworfene Haus der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG im Stadtteil Kirchberg, von Einheimischen wegen seiner Fassade auch liebevoll Apfelstrudel genannt. Der Stadtteil, der in den 1950er Jahren vor den Toren der City auf der grünen Wiese hochgezogen wurde, steht für den Aufschwung Luxemburgs - und den Wandel vom Industrieland zur Bankenmetropole. Damals reichte der Platz in der Innenstadt weder für die expandierenden Finanzunternehmen noch für die Institutionen der Europäischen Union, also ging es raus aufs Land. Oder wie es der Bankangestellte Henri Juda, 68, formuliert: »In Kirchberg war früher nix. Das war Land, das noch nicht einmal die Bauern wollten.«

Das hat sich mittlerweile geändert: Heute kostet dort der Quadratmeter Wohnfläche 9000 Euro. Es existiert die Anekdote des KFZ-Mechanikers, der seine Werkstatt im Zentrum aufgab, weil er im Tausch von der Stadt Luxemburg eine große Fläche für den Neubau seines Betriebes auf dem Kirchberg bekam. Es soll das Geschäft seines Lebens gewesen sein.

Die Luxemburger sagen »auf dem Kirchberg«, weil es sich um ein Hochplateau handelt. Nicht nur das Bankenviertel bietet architektonische Highlights, insgesamt residieren im Herzogtum rund 145 Banken, sondern auch einige andere Gebäude: Beispielsweise das Nationale Sport- und Kulturzentrum Coque (»Muschel«) mit Wettkampfschwimmbecken, welches vom französischen Architekten Roger Taillibert in seinen Ursprüngen bereits 1982 gestaltet wurde. 2002 erweiterte er es, damals schon 76 Jahre alt, um das namensgebende muschelförmige Gebäude. 2005 eröffnete in Kirchberg die Philharmonie. Christian de Portzamparc entwarf das Konzerthaus, er bekam für das rund 110 Millionen Euro teure Gebäude den renommierten Pritzker-Architektur-Preis. Von außen mutet das spitz zulaufende Gebäude mit 823 Säulen wie ein riesiger Ozeandampfer an, im Innern verstärkt der schräge Boden das Gefühl, sich auf einem schwankenden Schiff zu befinden. 2006 schließlich eröffnete nur wenige hundert Meter entfernt von der Philharmonie der Neubau des Museums für Moderne Kunst, kurz Mudam, entworfen von dem chinesisch-stämmigen US-Amerikaner Ieoh Ming Pei. Es beherbergt mit den Werken des Belgiers Wim Delvoye Kunst, die für Gesprächsstoff sorgt. Dazu gehört eine Kapelle, deren Kirchenfenster sich bei näherem Hinsehen als zusammengesetzte Röntgenaufnahmen entpuppen, oder auch eine Maschine, die schön, aber sinnfrei ist: die »Cloaca«. Sie simuliert die menschliche Verdauung - mit allem, was dazugehört: Oben füllen Museumsangestellte immer wieder Speisen ein und unten kommt eine undefinierbare Masse heraus.

Ganz andere Tiefen bietet Luxemburgs Süden an der Grenze zu Frankreich. Dort liegt das Zentrum des Bergbaus. Die Luxemburger waren bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts ein eher armes Volk. Bis in die 1960er Jahre schufteten dort die meisten Männer im Bergbau. Geschichtslehrer Denis Klein erklärt als ehrenamtlicher Führer im Nationalen Bergbaumuseum in Rümelingen Besuchern, wie hier einst Eisenerz gefördert wurde. Besonders hart waren die Arbeitsbedingungen demnach vor dem Zweiten Weltkrieg. Helme oder Sicherheitsschuhe gab es für die Minenarbeiter nicht, die Bergarbeiter waren Subunternehmer und arbeiteten im Akkord auf eigene Rechnung. »Die letzte Mine schloss 1981«, sagt Klein. »Insgesamt starben 1477 Arbeiter in einem Jahrhundert Eisenerzabbau in Luxemburg.«

Auch in Belval (»schönes Tal«), einer nur 15 Autominuten von Rümelingen entfernt gelegenen Siedlung des Bergbaustädtchens Esch-sur-Alzette, prosperierte einst Luxemburgs Eisenerzindustrie, übrig geblieben sind nur noch die Hochöfen. Um das Industrieerbe herum hat sich eine nagelneue Retortenstadt samt Universität gebildet. In dem Stadtteil leben und arbeiten nicht nur Studenten und Wissenschaftler, sondern auch Familien ziehen dorthin. Die einzige Bank residiert übrigens im größten Gebäude des Viertels - und ist knallrot.

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