Bei der Feuerwehr brennt es
In Müncheberg mussten Brandschützer zwei Fahrzeuge abmelden und es fehlt Geld für neue
Vor dem Rathaus von Müncheberg (Märkisch-Oderland) parken am Donnerstagabend mehrere Fahrzeuge der Freiwilligen Feuerwehr. Die Kameraden springen ab. »In Zweierreihen antreten«, kommandiert ein Vorgesetzter. Dann rücken die 60 Männer und Frauen in Einsatzkleidung in den Ratssaal ein, wo die Stadtverordnetenversammlung tagt. Die Sitzplätze für Zuschauer reichen längst nicht aus. Rundherum stehen die Feuerwehrleute an die Wände und an die Fensterfront gelehnt.
»So voll war der Ratssaal noch nie«, staunt der Stadtparlamentsvorsitzende Hans-Jürgen Wolf (SPD). Die Brandschützer sind gekommen, um auf ihre katastrophale Situation aufmerksam zu machen. Schon zu lange haben sie sich vergeblich um Abhilfe bemüht, doch Bürgermeisterin Uta Barkusky (LINKE) hat erst vor ein paar Tagen davon erfahren und nun ist es beinahe zu spät.
In Brandenburg stehen 4315 Feuerwehrautos bereit, davon 2115 Löschfahrzeuge.
Es gibt im Bundesland 200 Freiwillige Feuerwehren mit zusammen 1747 Stützpunkten und fünf Berufsfeuerwehren, außerdem noch einige Werksfeuerwehren.
Im Jahr 2015 rückte die Feuerwehr zu 42 853 Einsätzen aus - rund 6000 Mal, weil es brannte. Außerdem kommen die Einsatzkräfte bei Unfällen oder wenn Bäume umstürzen und Straßen blockieren.
Die Freiwillige Feuerwehr zählt landesweit 39 280 Kameraden.
Müncheberg hat 6824 Einwohner und 175 Feuerwehrleute. af
Stadtwehrführer Carsten Greim und sein Stellvertreter Björn Groß erhalten Rederecht und schildern die Lage. Die Fahrzeuge der Freiwilligen Feuerwehr in Müncheberg und in den eingemeindeten Dörfern sind in der Regel in den frühen 1990er Jahren gebaut worden, also schon ziemlich alt. Am 19. Januar musste nun ein Fahrzeug aus Müncheberg wegen technischer Mängel abgemeldet werden. Es sei überladen gewesen, jede Fahrt damit ein Risiko, schildert Stadtwehrführer Greim. Darüber hinaus musste noch ein Fahrzeug im Ortsteil Eggersdorf außer Betrieb genommen werden.
Jetzt haben die Kameraden Angst, dass etwas passiert und die Freiwillige Feuerwehr nicht reagieren kann. Dabei habe er die Stadtverwaltung rechtzeitig vorgewarnt und mehrere Briefe geschrieben, erzählt Greim. Doch vom zuständigen Fachamt sei die Feuerwehr mit Hinweis auf die Haushaltsnot der Stadt immer wieder vertröstet und »mit leeren Versprechungen hingehalten worden«, ergänzt sein Stellvertreter Groß. Seit Jahren heiße es immer wieder, für den Kauf oder das Leasing moderner Feuerwehrautos seien die Mittel leider nicht vorhanden. Björn Groß verliest einen offenen Brief, in dem an mehreren Stellen steht: »Bei der Feuerwehr brennt es.« Formuliert wird außerdem: Dass der Fahrer jünger sei als das Fahrzeug, das sei traurige Realität geworden. Dabei hätte es Fördermittel gegeben, das Land hätte eventuell die Hälfte der Summe bezahlt. Doch die Frist für die Beantragung solcher Zuschüsse sei nun verstrichen, weil die Stadtverwaltung von dem Programm keine Ahnung gehabt habe. Gebraucht werden nicht nur neue Einsatzfahrzeuge. Es fehlt sogar schon an kleinen Dingen wie Handschuhen und Stiefeln und es gibt Feuerwehrmänner ohne Schutzjacke für den Winter.
Nach den Ausführungen verrät der Stadtverordnete Wolfgang Stenzel, er sei »wie vor den Kopf geschlagen«. SPD-Fraktionschef Randolf Olbrich, lange ahnungslos wie die anderen Stadtverordneten auch und erst jetzt im Bilde, verweist auf finanzielle Engpässe, sagt aber: »Es gibt Probleme, die gelöst werden müssen.« Zu klären sei, warum es so lange dauerte, bis die Kunde von den gravierenden Schwierigkeiten bis zur Bürgermeisterin vordrang.
CDU-Fraktionschef Norbert Buchholz findet, der ärgerlichen Sache mit den womöglich verpassten Fördermitteln sollte nachgeforscht werden. Zwar gebe es die einfache Antwort: »Die 50 Prozent haben wir auch nicht.« Doch wolle er das genau wissen.
Seit Bürgermeisterin Barkusky von der Misere erfuhr, sucht sie nach einer Überbrückung. Sie möchte zunächst einsatzfähige gebrauchte Fahrzeuge besorgen und sich parallel um eine langfristige Lösung bemühen. Die Feuerwehrleute sind ihr dankbar für dieses Engagement und machen ihr keinerlei Vorwürfe. Doch die Bürgermeisterin bemerkt selbstkritisch, sie sei ja Leiterin der Stadtverwaltung und insofern verantwortlich dafür, was im Haus geschehe.
Ob Müncheberg ein Einzelfall ist oder ob die Freiwillige Feuerwehr in Brandenburg auch anderswo zu kämpfen hat, das vermag Innenministeriumssprecher Wolfgang Brandt nicht zu sagen. Da hat sein Ressort keinen Überblick, da dies Angelegenheit der Kommunen sei, wie Brandt erläutert. Das Innenministerium kann auch nicht sagen, wie alt brandenburgische Feuerwehrfahrzeuge im Durchschnitt sind. Eins aber weiß der Sprecher: »Löschfahrzeuge stehen nicht auf der Halde, sondern müssen gebaut werden.« Die Ausschreibung dauere ein halbes Jahr.
Ein Förderprogramm des Landes für Stützpunktfeuerwehren gibt es bereits seit 2008 und es läuft weiter, erläutert Brandt. Der Zuschuss belaufe sich auf 50 bis 80 Prozent der Anschaffungskosten. Ungefähr fünf Millionen Euro jährlich stehen zur Verfügung. Das Programm habe einen Modernisierungsschub bewirkt. In den Jahren 2015 und 2016 seien 100 Fahrzeuge zentral beschafft worden, was erlaubt, in den Genuss von Rabatten der Hersteller zu kommen. Feuerwehrfahrautos kosten nach Auskunft von Brandt ab 80 000 Euro für die sparsamste Variante und erreichen schnell 220 000 bis 230 000 Euro für größere Löschfahrzeuge. Für ein Drehleiterauto sind dann bereits 500 000 Euro zu berappen.
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