Brummis unter Draht
In Hessen werden Lkw mit Stromabnehmern getestet
Schnellstraßen mit Oberleitungen für Lastkraftwagen? Was bislang eher wie ein Science-Fiction-Film wirkte, soll im realen Fahrbetrieb erprobt und für einen großflächigen Einsatz vorbereitet werden. Hierzu werden jetzt in zwei Bundesländern entsprechende Teststrecken auf viel befahrenen Bundesautobahnen eingerichtet.
So sollen nach dem Willen der schwarz-grünen Landesregierung in Hessen die Tests auf einem Abschnitt der A5 im Rhein-Main-Gebiet zwischen Darmstadt und Frankfurt am Main beginnen, sobald Bautrupps bis Ende 2018 in beiden Fahrtrichtungen am Fahrbahnrand die Strommasten und Oberleitungen über der rechten Fahrspur errichtet haben. Die zweite Teststrecke liegt auf der A1 in Schleswig-Holstein zwischen Reinfeld und Lübeck.
Die dem Wiesbadener Verkehrsministerium unterstellte Straßenverwaltung Hessen Mobil hatte sich beim Bundesverkehrsministerium für das Projekt auf der A5 beworben. Es wurde unter der Bezeichnung »Elektrifizierter, innovativer Schwerverkehr auf Autobahnen« (Elisa) vom Bundesverkehrsministerium initiiert und wird für diesen Abschnitt mit rund 15 Millionen Euro gefördert. Treibende Kraft ist der Siemens-Konzern, der bereits in Schweden mit dem Lkw-Hersteller Scania einen öffentlichen »eHighway« betreibt und seit geraumer Zeit eine für den öffentlichen Verkehr nicht zugängliche Teststrecke auf einem ehemaligen Militärflugplatz bei Templin im nördlichen Brandenburg betreibt. Der Feldversuch an der A5 soll mit maximal fünf Fahrzeugen bis 2021 laufen und demonstrieren, dass sich E-Lastwagen problemlos auch im Mischverkehr bewähren.
Die eingesetzten Testfahrzeuge sind Diesel-Hybrid-Lastkraftwagen, die unter Draht mit Stromabnehmern, abseits der elektrifizierten Strecken aber auch mit herkömmlichen Dieselmotoren fahren können. Der Stromabnehmer auf dem Dach des Lkw wird nach Herstellerangaben von einem Sensor gelenkt und richtet sich automatisch auf, sobald das Fahrzeug den Streckenabschnitt mit der Oberleitung erreicht hat. Die elektrifizierte Fahrspur auf dem stark frequentierten A5-Abschnitt soll aber nicht für die Testfahrzeuge reserviert werden, sondern wie bisher allen Fahrzeugen zur Verfügung stehen. Für Projektplaner ist die Teststrecke der Einstieg in neue Dimensionen des Straßengüterverkehrs. So sind schon längst Projekte in Arbeit, bei denen Kolonnen von autonom fahrenden Lkw ohne Fahrer mit einer »elektronischen Deichsel« virtuell miteinander verkuppelt werden.
Für politische Akteure wie Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) sind solche mit öffentlichen Geldern geförderten Projekte ein Beleg für voranschreitende »Elektromobilität«. Kritische Töne schlagen hingegen gewerkschaftlich organisierte Eisenbahner und Betriebsräte an. Sie beobachten mit Sorge, wie die bundeseigene Deutsche Bahn ihrer Güterverkehrstochter DB Cargo nach wie vor einen Schrumpfkurs und Rückzug aus der Fläche verordnet, während die Politik in Bund und Ländern gleichzeitig den Straßenverkehr steuerlich begünstigt. So wurden seit der Jahrtausendwende zahlreiche Gütergleise und Industrieanschlüsse stillgelegt und damit der Verkehr weiter auf zunehmend verstopfte Straßen verlagert. Dass elektrifizierte Autobahnen und autonom fahrende Lkw-Kolonnen den Öko-Vorsprung des Schienengüterverkehrs untergraben könnten, fürchtet explizit auch Alexander Kirchner, Chef der DGB-Gewerkschaft EVG.
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