Im Rollstuhl in die Trutzburg
Der alte münsterländische Adelssitz Vischering wird derzeit aufwendig barrierefrei umgebaut - ein Vorzeigeprojekt von überregionalem Rang
Burgen - von denen es zu ihrer Hochblüte um das Jahr 1300 gut 13 000 in deutschsprachigen Landen gab - mussten vor allem eins sein: wehrhaft. Kein Ungebetener sollte sie betreten können. Einige der Trutzbauten, etwa der Königstein in Sachsen oder die Feste Rosenberg im bayerischen Kronach, rühmen sich denn noch immer, nie eingenommen worden zu ein. Viel Geld gaben ihre Herren seinerzeit dafür aus, dass selbst wackere Krieger nie einen Fuß hinter ihre Zugbrücke setzen konnten. Doch die Zeiten änderten sich halt. Inzwischen lässt es sich mancher Burgherr einiges kosten, damit selbst greise oder behinderte Besucher problemlos ins Innere der Anlage gelangen. Barrierefrei eben.
Ein bundesweites Vorzeigebeispiel hierfür liefert das westfälische Lüdinghausen. Hier im Münsterland, wo Touristen sogar mit einer 100-Burgen-und-Schlösser-Route umworben werden, braucht es schon eines Alleinstellungsmerkmals, um sich hervorzuheben. Und so erlebt die eher kleine Wasserburg Vischering am Rande der 24 000-Seelen-Stadt derzeit einen aufwendigen Umbau. Momentan dominieren Presslufthämmer und Baugerüste die eher beschauliche Szenerie. Denn die Burg Vischering - im 13. Jahrhundert durch einen Münsteraner Bischof errichtet und 300 Jahre später nach einem Brand im Renaissancestil rekonstruiert - bettet sich heute friedfertig in ein Stadtwäldchen. Harmonisch gerahmt wird sie durch die Gräfte, wie im Westfälischen die kleinen Wassergräben um die pittoresken Adelssitze heißen.
Unter diesen Voraussetzungen bot es sich geradezu an, auch Rollstuhlfahrern die Wege in das von dickem Sandstein ummantelte Burginnere zu ebnen. Immerhin etablierte sich hier inzwischen das Münsterlandmuseum, das sich gezielt auch der regionalen Wasserburgendichte widmet. Doch allein die behindertenfreundlichen Umbauten verschlingen einen erheblichen Teil des geplanten Sanierungsbudgets von 9,6 Millionen Euro. Da müssen etwa Böden tiefer gelegt und Türöffnungen verbreitert werden. Und vor einer Innenwand, die noch Relikte einer jahrhundertealten Wendeltreppe preisgibt, wird in Kürze ein Aufzug integriert.
Daneben ist natürlich der Moderne Tribut zu zollen: Zeitgemäße Haustechnik und gesetzlicher Brandschutz samt der umfänglichen Kabelage müssen möglichst unauffällig versteckt werden. Denn natürlich steht die Burg als eine der besterhaltenen ihrer Art seit 1986 unter Denkmalschutz. So werden die Hauptstränge etwa durch alte Kamine gezogen. Selbst neue Betonverschalungen strahlen die Sanierungsexperten noch mit einem Spezialgranulat, um sie so optisch auf alt zu trimmen.
Wegen jener nationalen Ausstrahlung beteiligt sich auch der Bund mit 200 000 Euro aus seinem Denkmalschutz-Sonderprogramm IV an den Kosten. Und der öffentlich-rechtliche Landschaftsverband Westfalen-Lippe schießt sogar eine Million Euro zu.
Nordrhein-Westfalen gliederte das Burgprojekt zudem in die »Regionale 2016« ein. Das ist ein dreijähriges Strukturförderprogramm, mit dem die rot-grüne Landesregierung in Düsseldorf derzeit unter dem Motto ZukunftsLAND das westliche Münsterland aufwertet. Die Region um die Kreise Coesfeld und Borken, in der auf knapp 3400 Quadratkilometern 820 000 Menschen leben, soll als »typische münsterländische Parklandschaft« an neuer Attraktivität gewinnen.
Damit muss für die alte Wasserburg dann natürlich auch ein neuer Name her: Nach Abschluss der Arbeiten, voraussichtlich im Spätherbst 2017, öffnet sie unter dem Etikett »WasserBurgenWelt« und wird dazu auch konzeptionell neu ausgerichtet. So soll der Wehrbau besser an die Lüdinghauser Innenstadt angebunden werden und möglichst auch eine ideelle Brücke zur ebenfalls sehenswerten Wasserburg Lüdinghausen ganz in der Nähe schlagen. Schon im Frühjahr könnte übrigens als erste Etappe die Kapelle von Burg Vischering wieder zugänglich sein.
Interessanterweise gehört der Adelsbau formal noch immer einem uralten Adelsgeschlecht - der Familie Droste zu Vischering. Der Landkreis Coesfeld, der momentan als Bauherr und damit auch Zahlmeister agiert, hat sie indes schon vor Jahrzehnten gepachtet. Damit knüpft er jedoch im Grunde nur eine alte feudale Tradition an. Denn Droste nannte man auf Mittelniederdeutsch fürstbischöfliche Verwaltungsbeamte, die für ihren jeweiligen Amtsbezirk den Landesherren in allen militärischen, rechtlichen und polizeilichen Belangen vertraten. Heute würde man ihren Dienstrang mit Landrat übersetzen.
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