Jemen will US-Aktionen kontrollieren
Unsichere Konsequenzen aus Militärschlag mit vielen zivilen Opfern
Wenn es nach dem Willen der Exilregierung Hadi geht, sollen die US-Streitkräfte künftig jeden Bodeneinsatz detailliert mit dem jemenitischen Militär absprechen. Man behalte sich vor, Einsätze zu verbieten, wenn zivile Opfer zu befürchten seien, sagte ein Sprecher Hadis am Freitag. Denn Ende Januar waren bei einer Kommandooperation von US-Spezialkräften gegen Al Kaida neben 14 Kämpfern der Terrororganisation auch viele Zivilisten, darunter Kinder, ums Leben gekommen. Wie viele, lässt sich nicht zuverlässig sagen.
Es war nur einer von vielen Militäreinsätzen mit einer Vielzahl von zivilen Opfern. Immer wieder bombardieren Kampfflugzeuge der von Saudi-Arabien dominierten und den USA logistisch unterstützten internationalen Militärallianz auch belebte Märkte, Schulen, Krankenhäuser.
Damit soll die Regierung Hadis gegen die dem Iran nahe stehenden Huthi-Milizen unterstützt werden. Sie kontrollieren einen Großteil des Nord-Jemen rund um die Großstadt Sanaa. Wenn man sich das Muster der Angriffe in diesem Gebiet anschaut, fällt auf, dass es Hilfsorganisationen nahezu unmöglich wird, Hilfsgüter in das Gebiet zu bringen - falls Saudi-Arabien überhaupt die Grenze öffnet oder die Seeblockade aufhebt.
Je nach Hilfsorganisation ist eine Hungersnot entweder schon da oder sehr nah. Grund dafür seien unterschiedliche Definitionen des Konzepts »Hunger«, sagt ein Sprecher der Vereinten Nationen in New York: »Wenn ein Mensch über längere Zeiträume nichts isst, dann hat er Hunger. Manche Organisationen sprechen aber erst dann von einer Hungersnot, wenn in einem Gebiet dadurch bei vielen Menschen gesundheitliche Beeinträchtigungen auftreten.«
Nach Einschätzung der UNO sind nun bis zu 20 Millionen Menschen in Jemen auf humanitäre Hilfen angewiesen; sieben Millionen hätten keinen Zugang zu einer ausreichenden Kalorienversorgung. Nach Angaben des Roten Halbmondes, der Partnerorganisation des Roten Kreuzes in der Arabischen Welt, sterben derzeit an die 100 Kinder täglich an Unterernährung. Die Säuglingssterblichkeit durch mangelhafte medizinische Versorgung liege nun gleichauf mit Tschad und der Zentralafrikanischen Republik.
Dass die Hadi-Regierung nach dem verhängnisvollen US-Angriff erstmals überhaupt seit Kriegsbeginn vor zwei Jahren Kritik äußert, hat vor allem mit der öffentlichen Meinung in den von ihr kontrollierten Gebieten zu tun. Seit dem von US-Präsident Donald Trump verhängten Einreisestopp, der sich auch gegen jemenitische Staatsbürger richtete, wurde Hadi auch in den weitgehend regierungstreuen Medien in den Hadi-Gebieten kritisiert.
Daran, dass sich die US-Regierung an den Erlass Hadis halten werden, hat man auch im Umfeld Zweifel. Doch irgendwie habe man reagieren müssen. Zu auffällig sei die aus dem Ruder gelaufene Operation gewesen, die aus Sicht des Weißen Hauses auch noch ein »voller Erfolg« war. Vor allem die alltäglichen Drohnenangriffe gegen IS- und Al Kaida-Ziele gingen auch nach der Hadi-Ansage ohne Unterbrechung weiter. Das Pentagon äußert sich nicht zu der Frage, ob man auch ohne Zustimmung der Regierung Bodentruppen einsetzen werde.
Al Kaida und Islamischer Staat werben indes mit den Opfern um Unterstützung in der Zivilbevölkerung: Hadi und die Huthi-Milizen hätten Jemen »verkauft«, nur sie selbst verteidigten das Land. Die beiden Organisationen sind vor allem in den wenig bevölkerten Wüstenregionen östlich der Hafenstadt Aden, die offizieller Sitz der Hadi-Regierung ist, aktiv. Sie können dort agieren, obwohl das Gebiet offiziell unter Kontrolle der Regierung steht. Regierung, Militärallianz und die beiden Terrorgruppen pflegen wechselseitige Beziehungen zueinander. So kämpften Regierungstruppen und Al Kaida-Milizen vor zwei Wochen Seite an Seite gegen die Huthi-Rebellen.
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