Bestandteil der Einkaufsstraße
750 Friedenskundgebungen in Bremen-Nord
Dort in Bremen, wo seit Silvester bereits zwei Tote und ein Schwerverletzter Opfer von Gewalttaten wurden, lebt seit 16 Jahren die Tradition der Freitagsfriedenskundgebung. Sie wurde nun zum 750sten Mal abgehalten.
»Initiative Nordbremer Bürger gegen den Krieg« nennt sich die in der Wesermetropole gut vernetzte Gruppe. Ursprünglich gegründet aus Anlass des Afghanistan-Kriegs wechselten die Themen analog zur aktuellen Lage in der Welt - und auch in Bremen-Nord, wo rund 100 000 Menschen leben.
Der ursprüngliche Walfängerort wurde durch Fischfabriken und später Werften zu einem Industriestandort, der Massen an Arbeitsplätzen bot, viele davon in der Rüstung. Seit dem Niedergang des Schiffbaus in Bremen-Nord vor rund 30 Jahren, herrscht dort Arbeitslosigkeit, Armut und Überalterung.
Zuzug gab es nach 1945 erst von Vertriebenen und seit einigen Jahrzehnten durch Geflüchtete. Bremen-Nord ist inzwischen ein Melting Pot am Rande Bremens geworden, so wie sie etwa auch in Paris zu finden sind.
Die Kundgebungen werden bei jedem Wetter abgehalten, es ist noch nie eine ausgefallen. Aufgebaut sind sie immer gleich: Rede zu einem aktuellen Thema, dann wird gesungen und Geld gesammelt für ein Hilfsprojekt. Kernaussage der Initiative ist: Mit Gewalt und Waffen lässt sich nur Krieg, aber kein Frieden schaffen.
Gern würden die Aktiven mit dem Publikum diskutieren, doch obwohl die Kundgebung zentral in der autofreien Einkaufszone stattfindet, zeigt die Bevölkerung genau daran wenig Interesse. Dennoch scheint den Bremen-Nordern die Ausdauer der Gruppe zu gefallen, es gibt wohlwollenden Zuspruch und es wird gespendet. Über die Jahre kam eine fünfstellige Summe zusammen. Die Kundgebungen sind zu einer Institution im Ort geworden.
»Insgesamt hat das Interesse am Friedensthema abgenommen, weil sich alle inzwischen an Krieg gewöhnt haben«, sagt Gisela Vormann im Gespräch mit dem »nd«. Sie ist seit der dritten Demo dabei. Zum Jubiläum seien trotz der Kälte immerhin rund 30 Interessierte gekommen. Vormann sieht es gelassen, dass die »jüngere Generation« in ihrer Riege um die 40 Jahre ist. Die noch Jüngeren hätten ihre eigene Art zu protestieren. Vormann sieht ihre Generation in der Pflicht, ihnen keine von Krieg zerstörte Erde zu hinterlassen.
Die rührige Initiative ist angegliedert an die »Internationale Friedensschule Bremen«, die ihren Sitz im Gustav-Heinemann-Bürgerhaus in Vegesack hat, einem Ortsteil Bremen-Nords. Die Friedensschule ist seit Jahren auch aktiv in der Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit Bremen-Nords, wo es Lager, Großbaustellen und Fabriken gab, in denen massenweise Menschen vernichtet wurden.
Einige Mitglieder der Friedenskungebungs-Initiative wie die 73-jährige Vormann sind auch in der Friedensschule und dem Bremer Friedensforum aktiv. Homogen ist die Initiative für die Friedenskundgebungen nicht. Mitglieder aus dem radikaleren linkspolitischen Lager treffen dort auf Christen und andere Kämpfer für den Frieden.
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