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Vorerst letzter Streik der Busfahrer

Der Tarifstreit im öffentlichen Nahverkehr des Landes Brandenburg strebt einer Lösung zu

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Am Mittwochmorgen blieben in Potsdam und Umgebung die Busse und Straßenbahnen der Verkehrsbetriebe ViP und Regiobus in den Depots. Nur einige Fahrzeuge von Subunternehmen verkehrten nach Fahrplan. Es war der mittlerweise fünfte Warnstreik in der aktuellen Tarifrunde für die 16 kommunalen Nahverkehrsbetriebe im Land Brandenburg. In der Frühschicht beteiligten sich in der Landeshauptstadt 95 Prozent der Belegschaften an dem Ausstand bis gegen 9 Uhr, erklärte Marco Pavlik, Verhandlungsführer der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.

Vorerst wird es eventuell der letzte Streik sein. Denn anders als in der Tarifrunde vor zwei Jahren, als es zu einem zweiwöchigen Arbeitskampf der etwa 3000 Beschäftigten kam, scheint diesmal eine baldige Einigung möglich. An diesem Donnerstag verhandeln ver.di und der Kommunale Arbeitgeberverband (KAV) in einem Hotel in der Schorfheide.

KAV-Geschäftsführer Klaus Klapproth zeigt sich »zuversichtlich«, dass es zu »nächtlicher Stunde« zu einer Einigung kommen werde. Er nennt die Warnstreiks »unnötig, weil wir gar nicht so weit auseinander liegen«. Offensichtlich habe ver.di dennoch nicht auf das Ritual des Ausstands verzichten wollen, um so neue Mitglieder zu werben. Bedauerlich sei, dass unvorbereitete Schulkinder in der Kälte vergeblich auf den Bus warteten, weil ver.di die Orte für die Warnstreiks immer erst einige Stunden vorher bekanntgab. Klapproth hat betroffene Kinder am Mittwoch an Haltestellen im Potsdamer Umland gesehen. Das wäre nicht nötig gewesen, findet er. Denn man sei sich doch mit ver.di beinahe schon einig, dass die zwei verschiedenen Gehaltstabellen für Busfahrer angeglichen werden sollen.

Das bestätigt Pavlik. Er signalisiert dem KAV: »Wir machen es ja mit, aber legt Geld drauf.« Hintergrund ist ein extra Flächentarifvertrag aus dem Jahr 2001. Damals unterschrieb ver.di, dass neu eingestellte Busfahrer bis zu 200 Euro Monatslohn weniger bezahlt werden dürfen als den Kollegen. Denn kommunale Verkehrsbetriebe standen angesichts der europaweiten Ausschreibung von Linien unter Kostendruck. Private Busunternehmen konnten Dumpingangebote machen. Es drohte die Privatisierung von Verkehrsbetrieben. Einige kommunale Unternehmen hatten Tochterfirmen gegründet, die Busfahrer zu niedrigeren Löhnen einstellten und an den Mutterbetrieb verliehen.

Die 3,8 Prozent schlechtere Bezahlung von Neukollegen soll nach dem Willen des KAV nun wieder abgeschafft werden. Dies nicht einmal wegen der Gerechtigkeit, sondern weil für die Niedriglöhne sowieso bald gar keine Fahrer mehr zu finden seien, wie ver.di erläutert.

Jetzt geht es um die Details. Pavlik ist nicht damit einverstanden, dass die Altkollegen nur mit einer Einmalzahlung von 450 Euro abgespeist werden sollen. Je 600 Euro in diesem und im kommenden Jahr sollten es sein. Da müsste er an der Basis zwar Überzeugungsarbeit leisten, meint Pavlik, glaubt jedoch, dass die Altkollegen »damit leben könnten und nicht das Gefühl hätten, beschummelt zu werden«. Außerdem: Die Bus- und Straßenbahnfahrer, die erst vier Jahre dabei sind, würden nach den Vorschlägen des KAV 112 Euro im Monat mehr bekommen und das höre sich gut an, bestätigt Pavlik. Doch solche Kollegen gebe es nur wenige. Dagegen würde, wer fünf bis 14 Jahre dabei sei, keinen Cent dazubekommen und bei 15 bis 20 Jahren Betriebszugehörigkeit wären es lediglich 12,84 Euro monatlich. Die Gewerkschaft schlage Lohnzuwächse zwischen 73 und 90 Euro für alle vor und würde zur Not eine Stückelung der Erhöhung auf die Jahre 2017 und 2018 akzeptieren, sagt Pavlik. Nicht einverstanden ist er dagegen mit dem Ansinnen, die 39 Stunden Wochenarbeitszeit im Berliner Speckgürtel um eine Stunde zu erhöhen und anderswo um zwei Stunden zu senken und dies vor Ort durch die Betriebsräte aushandeln zu lassen. Dieser Brocken müsse noch von der Landstraße geräumt werden, erklärt er. Nach dem Warnstreik in Potsdam sei zunächst kein weiterer geplant. »Mal sehen, ob die Arbeitgeber unser Signal verstanden haben - und dann ist es auch mal gut«, versichert Pavlik.

»Eine schnelle Einigung wäre auch im Sinne der Fahrgäste«, meint die Landtagsabgeordnete Anita Tack (LINKE). Ihre Partei plädiert für Lohnerhöhungen und besseren Arbeitsbedingungen. Als am Dienstagmorgen die Busfahrer in Oder-Spree gestreikt hatten, ging Erkners Linksfraktionschefin Elvira Strauß mit vier Genossen bei klirrender Kälte zum Betriebshof in der Stadt und brachte den Streikenden Taschentücher.

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