Laufpass für Zwei-Staaten-Lösung

Nahostpolitik der neuen US-Regierung lässt Israels Rechte jubeln

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 3 Min.

Es war genau das, was sich Naftali Bennett erhofft hatte: Schon kurz nach dem Wahlsieg Donald Trumps in den USA hatte der Chef der der Siedlerbewegung nahestehenden Partei Jüdisches Heim Regierungschef Benjamin Netanjahu bearbeitet, der möge doch unbedingt Trump dazu bringen, von der Zwei-Staaten-Lösung abzurücken. Nun saß Netanjahu gerade in Washington beim Dinner mit US-Außenminister Rex Tillerson, als Nachrichtenagenturen berichteten, dass genau dies passiert ist.

Ein hochrangiger Vertreter des Weißen Hauses habe erklärt, man halte nicht mehr an der Forderung nach einem palästinensischen und einem israelischen Staat als Grundlage für einen Friedensschluss fest. Das Hauptziel sei ein Friedensschluss, und die Konfliktparteien müssten selbst aushandeln, wie ein solcher Frieden aussehen soll. Trump habe keine Absicht, den Beteiligten Bedingungen zu diktieren; Frieden zwischen Israelis und Palästinensern stünde aber oben auf der Tagesordnung.

Die Aussagen, so sie denn, was in der Ära Trump nach derzeitigem Stand nicht garantiert ist, Bestand haben, würden einen grundlegenden Politikwechsel in Sachen Nahost bedeuten: Seit den Osloer Verträgen in den 90er Jahren hatten alle US-amerikanischen Regierungen die Zwei-Staaten-Lösung als nicht verhandelbare Grundlage für einen Friedensschluss bezeichnet.

Dass das Weiße Haus nun unter Trump Signale entsendet, die auf eine Neuausrichtung hindeuten, hat bei US-Diplomaten für Verwirrung gesorgt: Es habe keine Hinweise darauf gegeben, dass es zu einem solch drastischen Wechsel der Marschrichtung kommen würde, sagen Diplomaten in der US-Botschaft in Tel Aviv, wo man stets nach neuen Wegen sucht, die Konfliktparteien wieder an einen Tisch zu bekommen. Ohnehin ist man dort schon unglücklich damit, dass künftig der Insolvenzanwalt David Friedman, der sehr enge Kontakte zur extremen israelischen Rechten pflegt, als Botschafter wirken soll. Vielfach werden dort die Äußerungen als De-facto-Rückzug aus der bisherigen Nahostpolitik gewertet.

Die palästinensische Regierung stellte umgehend klar, dass man keinesfalls eine Ein-Staaten-Lösung, oder auch nur Verhandlungen darüber, akzeptieren werde: »Allein der Gedanke ist irrwitzig«, sagt der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat: »Wie die USA mit solch einer Politik künftig eine Rolle in der Region spielen wollen, verstehe ich nicht. Ich kann nur an die europäischen Staaten appellieren, die Führungsrolle zu übernehmen.«

Im Umfeld von Netanjahu nahm man die Aussagen indes mit einem gewissen Schrecken auf. Zwar gibt sich der Premier in der Öffentlichkeit gern als Freund, als Partner Trumps, der Israel wie üblich die Steine aus dem Weg räumen werde. Doch das Problem steckt im Detail: Netanjahu hält eine Ein-Staaten-Lösung für nicht praktikabel, und das schon allein deshalb, weil Israel dann Millionen Palästinenser in das Sozial- und Gesundheitssystem integrieren müsste.

Überdies muss Netanjahu als Chef des Likud auch Wähler der Mitte ansprechen, weil ihm die Zukunftspartei des ehemaligen Journalisten Jair Lapid sonst Wähler vom linken Rand des Likud abnimmt, während Bennett, Widersacher und Koalitionspartner zugleich, durch solche Zugeständnisse aus Washington an Zulauf vom rechten Likud-Rand gewinnt: Zudem hatten bei den letzten Wahlen auch gut 120 000 Wähler für rechte Parteien gestimmt, die an der 2,5-Prozent-Hürde scheiterten. Denn Bennett war und ist es, der Netanjahu stets mit der Drohung des Koalitionsbruchs begleitet, dazu drängte, Trump zu einer Abkehr von der Zwei-Staaten-Lösung zu bewegen.

Das Jüdische Heim feiert die Signale aus Washington nun als großen Erfolg. Mitarbeiter Netanjahus sagten indes am Mittwoch vor dem Treffen mit Trump, man habe ein mulmiges Gefühl, sei sich nicht mehr so sicher, wo der Präsident und sein Team wirklich stehen.

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