Der Kaiser will neue Kleider
Serbien: Vucic kündigt Präsidentschaftskandidatur an
Ein Übermaß an Sitzfleisch kann man Serbiens umtriebigen Premier Aleksander Vucic kaum vorwerfen. Zwei Mal in drei Jahren hat der Chef der nationalpopulistischen SNS seine Landsleute bereits ohne Not zu vorzeitigen Parlamentswahlen an die Urnen gezwungen.
Und nur ein halbes Jahr nach Amtsantritt seiner derzeitigen Regierung bläst der leidenschaftliche Dauerwahlkämpfer zum nächsten Wahlkampf. Serbiens allgewaltiger Kaiser will nun neue Kleider: Am Dienstagabend kündigte der 46-Jährige seine kaum mehr überraschende Kandidatur bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen im April an.
Er habe die ihm vom Parteipräsidium einstimmig angetragene Kandidatur nur angenommen, um »die Kontinuität und Stabilität für Serbien zu sichern«, erklärte der Regierungschef den anvisierten Postenwechsel, den er bereits im August angedeutet und hernach monatelang wortreich bestritten hatte. Tatsächlich sind es vor allem wahltaktische Kalkulationen, aber auch parteiinterne Gründe, die Vucic den eher unpopulären Amtsinhaber Tomislav Nikolic aufs Abstellgleis bugsieren lassen.
»Ich liebe Nikolic sehr, aber am meisten liebe ich Serbien«, begründete Vucic die von der Regierungspresse seit Monaten vorbereite Demontage seines langjährigen Gefährten. Mit Nikolic als SNS-Kandidat wäre ein Wahlsieg laut Umfragen zwar möglich, aber in der Stichwahl nicht garantiert gewesen. Der Premier hingegen geht nun als eindeutiger Favorit ins Rennen. Gleichzeitig bringt er seine Partei mit der Entmachtung von Parteigründer Nikolic völlig unter seine Kontrolle. »Nikolic reif für die Rente«, titelte am Mittwoch höhnisch das regierungsnahe Boulevardblatt »Alo!«.
Tatsächlich scheint die drohende Gefahr einer Parteispaltung für die SNS gebannt: Selbst der Präsidentensohn Radimir stimmte im Präsidium der Abservierung seines Vaters zähneknirschend zu. Mit welchem Versprechen sich der Staatschef doch noch zur Unterstützung von Vucic ködern ließ, ist unbekannt. Vorab hatten heimische Medien über ein hohes Amt für seinen Sohn oder den begehrten Botschafterposten in Moskau für den russophilen Parteigründer spekuliert.
Noch ist auch unklar, mit welchem Strohmann als Premier Vucic als Präsident die Fäden ziehen will. Der anvisierte Postenwechsel ist für Kontrollfanatiker Vucic nicht ohne Risiko. Als Präsident würde er den direkten Zugriff auf die Regierungsgeschäfte verlieren.
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