Mehr Milliarden für die Truppe
Verteidigungsministerin von der Leyen will aufrüsten und osteuropäische Formationen in Bundeswehr integrieren
Ursula von der Leyen guckt nachdenklich aus dem Fenster eines Bundeswehrfliegers. Mit diesem Fotomotiv, das offenbar eine besonnene, aber entschlossene Verteidigungsministerin zeigen soll, hat die »Süddeutsche Zeitung« in ihrer Donnerstagsausgabe wohlwollend den Gastbeitrag der CDU-Politikerin im hinteren Teil des Blatts angekündigt. »Europa wird mehr für seine Verteidigung tun«, verkündete dort von der Leyen. Sie zeigte Verständnis für das Drängen der USA. Diese wollen, dass auch die europäischen NATO-Staaten der Vereinbarung nachkommen, bis zum Jahr 2024 zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für ihre Verteidigungshaushalte auszugeben. Dies schaffen neben den USA bisher nur vier der 28 NATO-Staaten. Es handelt sich dabei um Griechenland, Großbritannien, Estland und Polen. Deutschland steht seit Jahren bei rund 1,2 Prozent.
Die europäischen Staaten wollen die Forderung auch deswegen erfüllen, weil sie kein Vertrauen in die Bündnistreue des neuen US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump haben. Hinzu kommt das Streben der Bundesrepublik, in der Verteidigungspolitik mehr Entscheidungen unabhängig von den USA treffen zu können. Für etwas Beruhigung wollte am Donnerstag der US-amerikanische Verteidigungsminister James Mattis sorgen. Er erklärte, dass er mit seiner Drohung an die NATO-Partner nicht die Beistandsverpflichtung der USA infrage gestellt habe. Am Vortag hatte der Minister noch angekündigt, dass die Vereinigten Staaten ihre Unterstützung für die NATO-Partner zurückfahren könnten, wenn diese nicht ihre Verteidigungsausgaben erhöhen. Wie genau eine Reduzierung des US-Engagements aussehen könnte, wollte Mattis nicht sagen.
Nach Ansicht der Bundesverteidigungsministerin zwinge »die Realität uns dazu, dass wir uns neben Kriseneinsätzen wieder stärker mit der Landes- und Bündnisverteidigung auseinandersetzen«. Von der Leyen nannte in diesem Zusammenhang den Krieg in der Ostukraine sowie den »Kampf gegen den IS-Terror und die Stabilisierung Malis«. Der deutsche Verteidigungsetat ist nach den Ausgaben des Ministeriums für Arbeit und Soziales der zweitgrößte Einzelhaushalt des Bundes. Er wird in diesem Jahr um acht Prozent steigen. Für von der Leyen ist das nicht genug. Dabei sind die Ausgaben mit Blick auf die absoluten Zahlen bereits jetzt gigantisch. Die USA investierten im Jahr 2015 rund 594 Milliarden Dollar, während die europäischen Alliierten und Kanada insgesamt auf etwa 273 Milliarden Dollar kamen.
Das Bundesverteidigungsministerium will neben zusätzlichen Ausgaben für das Militär mit einigen Partnern militärische Großverbände aufbauen. Geplant sind bis zu drei gemeinsam ausgestattete und trainierte Divisionen. Laut von der Leyen werde man, ähnlich wie das bereits mit Frankreich und den Niederlanden praktiziert werde, Rumänien und Tschechien anbieten, Verbände an Einheiten des deutschen Heeres anzuschließen. Eine Division ist ein Großverband, der üblicherweise aus mindestens 10 000 Soldaten besteht. Die Ministerin wollte bei dem bis Donnerstag laufenden Verteidigungsministertreffen in Brüssel mehrere Absichtserklärungen mit europäischen Partnern unterzeichnen. Dabei ging es im Falle Frankreichs um den Aufbau einer gemeinsamen Lufttransportstaffel, bei den Niederlanden um eine Luftbetankungsflotte und bei Norwegen um Zusammenarbeit beim Erwerb von U-Booten und der Ausbildung ihrer Besatzungen.
Bei diesen Erklärungen ist sich die Bundesregierung einig. Allerdings besteht ein Dissens in der Frage, inwieweit der Militärhaushalt erhöht werden sollte. Nach Angaben aus Kreisen des nordatlantischen Militärbündnisses müsste Deutschland rund 75 Milliarden US-Dollar ausgeben. Zuletzt lagen die Ausgaben die Bundesregierung bei knapp 45 Milliarden Dollar. Die SPD-Bundestagsfraktion ist skeptisch, ob die deutschen Ausgaben auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung erhöht werden sollten. Der verteidigungspolitische Sprecher der Sozialdemokraten, Rainer Arnold, sagte der »Neuen Osnabrücker Zeitung«, dass eine Klärung darüber sinnvoller wäre, »welche Fähigkeiten Deutschland und andere Partner jeweils einbringen können«. Auch die Grünen wollen die Debatte nicht allein darauf reduzieren, wie viel Geld ausgegeben werden sollte. Linksfraktionsvize Wolfgang Gehrcke erklärte für seine Partei, dass »wir weder einer Erhöhung der Militärausgaben zustimmen noch uns in das aggressive NATO-Konzept an den russischen Grenzen integrieren werden«.
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