Meiden Moneten Musen?

Das Bode-Museum zeigt eine Ausstellung zum Thema »Kunst und Geld«

  • Harald Kretzschmar
  • Lesedauer: 5 Min.

Am Berliner Bode-Museum prangt groß das Transparent »Muse macht Moneten« als Hinweis auf die ein halbes Jahr laufende Sonderausstellung. Diesen Schwerpunkt liefert diesmal das eher kleine Münzkabinett. Und siehe da, Bedeutung und Umfang des Unternehmens zum Thema »Kunst und Geld« hält sich doch sehr in Grenzen. Nur ein Raum von sechs ist diesem Programm gewidmet. Münzen und Medaillen sind nun mal intime Kleinformate. Und die Begleitmusik mit kritisch akzentuierter Grafik tönt sehr verhalten dazu. In Zeiten, wo selbst der museale Bereich mit dem Bettelstab bei Parlamenten und Behörden anklopfen muss, um das Notwendigste zu sichern, ist das nicht anders.

Das Spannungsfeld zwischen dem Monetären und dem Musischen ist allzu sehr aufgeladen, als dass so etwas nur so en passant zu erledigen wäre. Selbst hier, wo es um Münzen als die anfassbare Geldwährung geht, sind die Fallstricke straff gespannt, welche ein arm gehaltenes Künstlervolk überspringen muss, um sein Feld zu bestellen: Kunst zu schaffen. Traditionen besagen, dass sowohl Papiergeld wie das Zahlungsmittel Münze künstlerisch exzellent gestaltet werden. Selbst andere Wertpapiere atmeten einst Kalligraphie. Und frisch und frei phantasievoll gestaltete Medaillen waren immer die losen Schwestern der braven Münzen. Das Image einer mächtig sein wollenden Währung soll optisch Würde ausstrahlen. Insofern hatte die Muse immer ein Wörtchen mitzureden.

Aber alles kehrt sich um. Das ist der Lauf der Welt. Wie hübsch klingt ein Ausstellungsmotto wie »Muse macht Moneten«. Die Ambivalenz der Aussage klingt da schon an. Geld scheffeln, ergaunern, horten, mit Geld bestechen, manipulieren, morden - bei diesen Auswüchsen muss oft genug die Muse schamhaft ihr Haupt verhüllen. Ja, zum Schönmachen wird sie gebraucht. Fängt sie an, Fragen zu stellen, wird es ernst. Scharfes Infragestellen von Finanzpraktiken? Um Gotteswillen, nein. Kritische geistreich intelligent witzige Kunst fristet daraufhin ein Nischendasein. Oder es ist keine, wie hier ein plastiniertes echtrosa Schwein, von Nikolaus Eberstaller mit herausquellenden Geldscheinen zentral gleich in der Eingangshalle installiert. Dr. Gnann von der Albertina Wien meint, er »prangert auf spannende und faszinierende Weise gesellschaftliche Missstände und die fatalen Folgen von Not, Leid und Zerstörung durch den Missbrauch von Macht an.« So kann man wortreich geistarme Tiefstapelei hochpuschen.

Zum Glück steigen wir die Treppe nach oben in wahre Kunsthöhen. An Barockskulpturen mit sprechenden Händen und Andreas Schlüters sterbenden Kriegerbildnissen vorbei zu den Sälen des Münzkabinetts. Im ersten von fünf Räumen mit der klassischen Sammlung grüßt über den Vitrinen die Kopie des Bildes der beiden Steuereinnehmer vom alten Holländer Quentin Massys. Leider nirgends etwas von den vielen kritischen Bildnissen der Kunstgeschichte von Geldleuten und Kapitalprotzen. Ja, im sechsten Raum hinten kommt die umsichtig von Alexa Küter arrangierte Sonderschau als Ziel unserer Wünsche. Der gründlich recherchierte Katalog hängt angekettet an der Wand, aber alles Wesentliche ist horizontal ersichtlich: Münzen und Medaillen von 1990 bis heute.

Und da gehen uns die Augen über. Wir lesen unter dem Slogan »Kunstgeld-Geldkunst« von einer zauberhaften »Deutschen Gesellschaft für Medaillenkunst«, 1991 mehrheitlich von Leuten aus dem DDR-Künstlerbestand gegründet. »Aufbruch Durchbruch« zeigte in Bonn bereits einiges von dem, was 1993 zu einer recht finanzkritischen Edition zur deutschen Einheit wurde. »Das politische Ungleichgewicht zu den alten Bundesländern« wurde da beklagt. Zusätzlich darf man wissen, dass das maßgeblich von Wolfgang Steguweit, dem Guru einheimischer Numismatik und hiesiger Sammlungschef, auf den Weg gebracht wurde. Nun dürfen wir Stück für Stück letzte Zeugnisse einer satirisch zu nennenden Modellierkunst mit Ost-Background bewundern. Schon vorher auf diesem Terrain bewährte Bildhauer wie Wilfried Fitzenreiter und Gerhard Rommel modellierten erotisch Angespieltes wie das koitale »Balance halten« oder ein nachfolgendes »Leeres Bett«. Der immer zu Spaß aufgelegte »Fitze« zeigt auch das Damoklesschwert »Ateliermiete«. Axel Bertram mahnt dagegen ganz ernsthaft »Bindet die Gewalt« und »Schafft Umsicht«. Roland Nikolaus beschwört »Schatten der Vergangenheit«, und Florian Flierls »Künstlernotgroschen« ist in Silber gegossen natürlich besonders wertvoll.

All das kommt in der wohlgerundeten Form von Münzen und Medaillen edel daher. Auch bei den Frauen Ironie pur: Heidi Wagner-Kerkhof montiert einen im Bronzegitter eingesperrten Originalpfennig. Sonja Eschefeld präsentiert effektvoll den »Profiteur«, und zitiert außerdem ganze Heinrich-Heine-Texte. Die Heine-Münze präsentiert vorn »Zensur«, hinten »Antwort«. Minimal art gefällig? Alma Greiner und Karoline Kelters Silbergeld zeigt lediglich eine Null, während Anna Franziska Schwarzbachs Katze mit ihrem Fußabdruck für einen »Pfotentaler« gesorgt hat. Die Schwarzbach darf in einem abgelegenen Vorraum der Ausstellung mit einem Extraobjekt zum Spendensammeln für das notleidende Museum animieren, das sich nicht einmal einen werbenden Flyer für diese Schau leisten konnte. Zum Glück sprang ihm ja ein Sponsor namens Haupt mit »Dreißig Silberlinge« bei.

Ja, da gibt es in Berlin den Urheberrechtsanwalt Dr. Stefan Haupt. Dem verdanken wir manch willkommene Ergänzung. Es wird nicht ganz klar: Sind es nun Marie-Luise Bauerschmidt und Georg Mann? Oder Rossen Andreev und der Hallenser Medaillenprofessor Carsten Theumer? »Böses Geld, schlechtes Geld, falsches Geld« lesen wir bei ihm. Die tiefschwarze Bronze »Das goldene Kalb« von Jochen Schamal darf sogar senkrecht an die 25 Zentimeter hoch aufragen. Leider bleibt das flach an den Wänden Platzierte im Vergleich zum Plastischen blass und beziehungslos. Da hilft selbst ein Hundertwasser-Blatt nicht. Eine Ausnahme bildet einzig Helmut Kings 2003 digital gedrucktes »Kretzer-Geld«. In seiner frechen Buntheit und burlesken Frechheit ist es dort der einzige Spaßfaktor.

Solche Zufälligkeiten kann ein klares Konzept des Münzkabinetts vermeiden. 2014 rief es auf, und 32 Medaillen kamen wiederum ins Haus. Schön. Ein Faltblatt verkündet, Sie »sind Seismographen der Gegenwart. Sie spiegeln die Kontinuität und Verschärfung mancher Probleme, aber sie bieten auch Lösungen an«. Welche? Wir sehen ja hier, wie munter der Aufbruch der 90er Jahre war. Dann mündete alles in eine mit Perfektion durchgezogene totale Nivellierung der Kunstszene. Das modisch Vorzeigbare hat Konjunktur. Privatvermögen päppeln es mit einem Geldsegen, der dem öffentlichen innovativen Diskurs systematisch entzogen wird. Diese Moneten meiden Musen. Dass bildende Kunst etwas fürs kritische Selbstgefühl von Menschen bewirken könnte, das scheint unbezahlbarer Luxus.

»Kunst prägt Geld: Muse macht Moneten«, bis zum 27. Mai als Sonderausstellung des Münzkabinetts im Bode-Museum, Mitte

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