Kürzere Wege für Lebensmittelhilfe
In Finsterwalde geht ein Logistikzentrum für die Tafeln in Südbrandenburg in Betrieb
Man mag es kaum glauben, dass sich hinter den Wänden des vor Jahren aufgegebenen einstigen »Plus«-Supermarktes am Rande von Finsterwalde (Elbe-Elster) eine kleine Sensation verbirgt. Ende vergangener Woche wurde dort das Tafel-Logistik-Zentrum Südbrandenburg eingeweiht. Es dient der besseren Versorgung von Menschen in der Region, die auf Lebensmittelhilfe angewiesen sind. Und es ist das erste seiner Art bundesweit, ein Pilotprojekt, wie Landrat Christian Heinrich-Jaschinski (CDU) betonte. Der Landrat erinnerte daran, dass die Tafeln einst angetreten waren, um die in der Überflussgesellschaft anfallenden Lebensmittelüberschüsse, einwandfreie Ware von Supermärkten etwa, vor der Vernichtung zu bewahren und sie bedürftigen Menschen, Armen und Alten zugänglich zu machen. Leider gebe es auch im Landkreis Elbe-Elster noch immer Armut. Mit Unterstützung der evangelischen Kirche und dem Engagement von bis zu 90 ehrenamtlichen Helfern würden von den Tafeln im Kreis pro Monat mehr als 4000 Menschen regelmäßig mit günstigen Lebensmitteln versorgt.
Das Logistikzentrum ermöglicht es laut Heinrich-Jaschinski, die Mitarbeiter und Helfer effektiver einzusetzen, das Angebot zu verbessern, Beschaffungswege kurz zu halten und doppelte Wege zu vermeiden. Denn bislang wurde die Ware über das Berliner Lager des Bundesverbandes Deutsche Tafel gesammelt, dort kommissioniert und von dort dann abgeholt. »Insgesamt 520 000 Euro wurden am Standort eingesetzt, um das Projekt zum Laufen zu bringen«, sagte der Landrat. Das Geld, das für Ausbau zum Logistikzentrum sowie für den Umzug der Finsterwalder Tafel in die Halle eingesetzt wurde, hat die Sparkassenstiftung »Zukunft Elbe-Elster-Land« zur Verfügung gestellt. Auch eine zehnjährige Mietgarantie hat sie vermittelt. Der Discounter Lidl, der in seinen Filialen bundesweit über sein Pfandflaschen-Rücknahmesystem Spendenmittel einwirbt, hat 60 000 Euro für die Tiefkühlausstattung überwiesen.
Insgesamt elf Tafeln aus den Landkreisen Elbe-Elster, Oberspreewald-Lausitz, Spree-Neiße sowie der Stadt Cottbus, darunter in Lübben, Senftenberg und Forst, Königs Wusterhausen oder Bad Belzig profitieren von dem Logistikzentrum, das vom Landesverband Brandenburg des Arbeitslosenverbandes Deutschland betrieben wird. Das Land steuert Lotto-Mittel von rund 18 900 Euro bei. Den symbolischen Scheck übergab Sozialministerin Diana Golze (LINKE) zur Eröffnung an die Landesvorsitzende des Arbeitslosenverbandes, Inga-Karina Ackermann. Allein ihr Verband sei Träger von 14 Tafeln mit 43 festen und 15 mobilen Ausgabestellen im Land, so Ackermann.
Ministerin Golze würdigte das Wirken der zahlreichen ehrenamtlichen Mitarbeiter, die dafür sorgen, dass die Tafeln funktionieren. »Wir brauchen die Tafeln, müssen aber gleichzeitig dafür sorgen, dass Armut vermieden wird«, unterstrich sie.
In den schmucklosen Finsterwalder Kaufhallenbau ist vor zwei Wochen auch die Ausgabestelle der Tafel der 18 000-Einwohner-Stadt eingezogen. Ihr Träger ist die evangelische Kirchgemeinde der Stadt. Voller Stolz führte Pfarrer Markus Herrbruck die Gäste der Einweihungsfeier durch die Einrichtung. Anders als zuvor in den Räumen der Johanniter-Unfall-Hilfe ist ein sozialer Treffpunkt entstanden, an dem bedürftige Menschen an vier Tagen in der Woche für einen geringen Obolus günstig Lebensmittel erhalten. Bis zu 20 ehrenamtliche Mitarbeiter kümmern sich täglich um sie. Von den neuen, freundlichen Räumlichkeiten werden sie alle profitieren.
Der Leiter der Tafel, Gerhard Strauß, sagte dem »nd«: »Für mich ist es wichtig, mit den Menschen, denen es ja auch nicht immer leicht fällt, zu uns kommen, wertschätzend umzugehen. Ich lebe die Tafel.« Der 63-Jährige, der früher als Maschinen- und Anlagenmonteur beim VEB FIMAG Finsterwalde gearbeitet hat, ist heute für ein kleines Salär täglich acht Stunden vor Ort. Dabei ist er auch politisch aktiv, ist als Mitglied der Bündnisgrünen stellvertretender Chef der mit der LINKEN gebildeten Fraktion im Stadtparlament.
Die 41 Tafeln des Landesverbandes Tafeln Berlin-Brandenburg rechnen mit 13 000 Bedürftigen. Marlies Müller, die Vizechefin, sagte dem »nd«, dass an die 2000 Mitarbeiter pro Tag 800 bis 1000 Bedürftige, darunter inzwischen viele Asylbewerber, unterstützen. Die 66-jährige gelernte Friseurin, die nach der Wende viele Jahre ein Lebensmittelgeschäft führte, leitet bis heute die Tafeln in der Prignitz - in Perleberg, Wittenberge, Pritzwalk und Meyenburg.
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