»Wupp-di-ka« und »Radi-Radi«

Sprachforscher beschäftigen sich mit der Herkunft deutscher Karnevalsrufe

  • Olivia Konieczny, Köln
  • Lesedauer: 3 Min.

»Helau«, »Alaaf«, »Narri-Narro«: Das sind die wohl bekanntesten Narrenrufe in Deutschland. Wo die Menschen Karneval, Fasching oder Fasnet feiern, schreien sie sich Hochrufe zu. Aber woher kommen die? Und warum ruft man sie?

»Bei «Alaaf» ist die Sache noch am einfachsten«, sagt Georg Cornelissen vom Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte in Bonn, das zum Landschaftsverband Rheinland gehört. Die Herkunft des Kölner Narrenrufs, der heute auch in Bonn und Aachen ertönt, ist gut belegt: In der Domstadt fand man alte Tonkrüge, gefertigt um 1550, auf denen »Allaf« stand. »Das war ein Hochruf, ein Trinkspruch, der nichts mit Karneval zu tun hatte und so viel wie «Er lebe hoch» meinte«, erklärt der Sprachforscher. Im Wortsinne bedeutete »All af«: alles ab (herab), alles andere darunter. Der Hochzulobende - der Bischof, Bürgermeister, das kölnische Land - wurde als zweites genannt. Man rief also »All af Kölle«, übersetzt »Alles andere unter Köln«, und meinte »Köln über alles«. Heute ruft man es andersrum: »Kölle Alaaf«.

»Die Umkehrung hat schreitechnische Gründe«, sagt Cornelissen. »Versuchen Sie es mal«: »›Alaaf Kölle‹ ruft sich schwerer als ›Kölle Alaaf‹.« Als sich im 19. Jahrhundert aus Kritik und Spott an der Obrigkeit der organisierte Karneval mit seinen Bräuchen etablierte, machten die Narren sich den Ruf zu eigen. »Wir vermuten, dass sich das «Alaaf» auf Kosten des «Helau» um Köln herum ausgebreitet hat«, so Cornelissen.

Wer sich von Köln weg bewegt, stößt bald an den Helau-Alaaf-Äquator, die Sprachgrenze zum »Helau«. Dieses hat in den Karnevalshochburgen Düsseldorf und Mainz sowie in vielen anderen deutschen Städten Tradition. Allerdings tappen Sprachforscher hier im Dunkeln: »Bei «Helau» gibt es keine gesicherten Fakten, nur Spekulationen«, sagt Cornelissen. Die reichen von »Hellblau«, »Hallo« und »Halleluja«, aus denen das Wort sich abgeleitet haben könnte, bis hin zur nordischen Totengöttin Hel, die im Winter das Tor zu ihrem Reich, also »Hel auf« macht. Fest steht nur, was man heute damit ausdrücken will: »Den Spaß an der Freude«, wie Michael Euler-Schmidt, Vizedirektor des Kölnischen Stadtmuseums, erklärt.

Im schwäbisch-alemannischen Sprachraum rufen die Menschen »Narri-Narro«, was bedeutet: »Ich bin ein Narr, du bist ein Narr«. Im Saarland heißt es »Alleh hopp!«, laut Cornelissen dem Französischen entliehen. »Manche Schlachtrufe haben eine richtige Geschichte, leiten sich ab aus historischen Begebenheiten oder reichen tief in die Mythologie hinein«, erklärt Euler-Schmidt. Viele bezögen sich auf die Orte, in denen man sie ruft. »Manchmal ist es einfach nur eine Redewendung, ein Spruch, der schon immer genutzt wurde.«

In Paderborn heißt es in der fünften Jahreszeit »Hasi Palau«. Der Ursprung: das Drei-Hasen-Fenster im Paderborner Dom. »Das «Palau» ist ein verkapptes «Helau»«, sagt Euler-Schmidt - eine Kombination aus »Helau« und »Paderborn«. »Ahoi« wiederum, zu hören etwa in Ludwigshafen am Rhein oder im thüringischen Wasungen, gehe zurück auf die spätmittelalterliche Moralsatire »Das Narrenschiff« von Sebastian Brant. Die Wuppertaler rufen »Wupp-di-ka«, in Regensburg schreit man »Radi-Radi«, im Bayreuther Umland »Wau-Wau«.

Wie viele Karnevalsrufe es in Deutschland gibt, lasse sich nicht beziffern, sagt Daniela Sandner, Leiterin des Deutschen Fastnachtmuseums im fränkischen Kitzingen. »Eigentlich hat so gut wie jedes Dorf einen eigenen.« Es gehe um Heimatgefühl, die Zugehörigkeit zu einem Ort. Der Karneval sei identitätsstiftend.

Viele Narren schaukeln sich mit den Schlachtrufen gegenseitig hoch: »Das Rufen im Karneval ist ritualisiert, hat aber auch etwas Befreiendes«, erklärt Sandner. Es gehe darum, den Alltag hinter sich zu lassen. Euler-Schmidt sagt: »Man fordert damit die anderen auf, mitzumachen, fröhlich zu sein.« dpa/nd

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