Trump will Massenabschiebungen

Massive Kritik von US-Menschenrechtlern an Verschärfung der Richtlinien für Einwanderer

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Mann aus dem mexikanischen Bundesstaat Sinaloa war so verzweifelt, dass er keinen anderen Ausweg mehr sah: Schon mehrmals aus den benachbarten USA ausgewiesen, stürzte sich ein 44-Jähriger am Dienstag (Ortszeit) in Sichtweite der Grenze von einer Brücke 30 Meter in die Tiefe. Der Vorgang, so Beobachter, werfe ein Schlaglicht auf die neue rigorose Abschiebepolitik der Trump-Regierung, die am selben Tag die Regelungen drastisch verschärft hat.

Das Ministerium für Heimatschutz veröffentlichte in Washington zwei Memoranden, die vor allem »kriminelle« Migranten ohne Papiere ins Visier nehmen. Wie Präsidentensprecher Sean Spicer erklärte, gehe es um »fast eine Million Menschen«. Wobei nicht nur Einwanderer betroffen sind, die verurteilt wurden oder einer konkreten Straftat beschuldigt werden, sondern auch jene, die nach Einschätzung der Behörden nur verdächtigt sind, die öffentliche Sicherheit zu gefährden. Auch unter Präsident Barack Obama hatte man Einwanderer ohne Aufenthaltsgenehmigung abgeschoben, doch dabei ging es in erster Linie um verurteilte Straftäter. 2015 waren das 333 000, die niedrigste Zahl seit 2007.

Wie ein Vertreter des Heimatschutzministeriums laut Informationsdienst propublica.org erläuterte, kämen jetzt »theoretisch« schon all jene für »Vollzugsmaßnahmen« infrage, die gegen Einwanderungsgesetze verstoßen haben. So ist es die größte Befürchtung der geschätzt rund elf Millionen Menschen ohne gültige Einreisedokumente - davon etwa die Hälfte Mexikaner -, dass künftig auch Vergehen im Zusammenhang mit falschen Papieren als ausreichend kriminell für eine Deportation eingestuft werden.

In der Praxis hat sich nach Einschätzung von Migrationsexperten wohl fast jede Familie illegal Eingewanderter, die inzwischen längere Zeit in den Vereinigten Staaten leben, irgendwann notgedrungen eines solchen Vergehens schuldig gemacht, um arbeiten und existieren zu können. Selbst wenn Gerichte in den vergangenen Jahren deshalb Ausweisungen verfügt haben, wurden in der Obama-Ära viele Menschen geduldet. Die Trump-Regierung will nun mit großflächigen Razzien gegen sie vorgehen. Heimatschutzminister John Kelly hat die Einwanderungsbehörde ICE deshalb angewiesen, 10 000 zusätzliche Beamte einzustellen und die Zahl der Haftanstalten zu erhöhen. Die der Beamten in der Grenzschutzbehörde CPB soll um 5000 aufgestockt werden.

Einen Vorgeschmack auf die verschärfte Abschiebepraxis gab es vor knapp zwei Wochen, als Sicherheitskräfte in sechs US-Bundesstaaten Hunderte Immigranten festnahmen und u.a. eine seit 21 Jahren unbescholten in Arizona lebende mexikanische Mutter von zwei in den USA geborenen Kindern ohne Vorwarnung abschoben. Unter Obama hatte man ihr erlaubt, auch ohne Aufenthaltserlaubnis im Land zu bleiben, sollte sie sich regelmäßig bei den Behörden melden. Derartige Razzien hatten sich da auf Migranten mit Vorstrafen beschränkt.

Nicht nur Cristina Jiménez, Geschäftsführerin von »United We Dream«, einer Organisation, die sich für Kinder und Jugendliche in Einwandererfamilien einsetzt, geht davon aus, dass das alles nur eine erste Welle von Attacken der neuen Administration war. Zumal jetzt auch die Voraussetzungen für sogenannte Schnellabschiebungen gelockert wurden. Zugleich verfügte Kelly, dass unverzüglich mit der Planung für die von Trump im Wahlkampf angekündigte Mauer an der Grenze zu Mexiko begonnen werden müsse.

Ausgenommen von den neuen Regeln sind zumindest vorläufig die »Dreamer«, rund 750 000 Menschen ohne Dokumente, die als Kinder in die USA gebracht wurden und dank des Programms »Deferred Action for Childhood Arrivals« später Arbeitserlaubnisse erhalten haben. Sie bleiben durch einen Erlass von Obama geschützt - der allerdings jederzeit vom neuen Präsidenten gekippt werden könnte.

Bürgerrechtsorganisationen und die oppositionelle Demokratische Partei zeigen sich schon jetzt entsetzt und verurteilen die jüngsten Maßnahmen als »Politik der Massenausweisung« - was Trumps Sprecher umgehend zurückwies. Doch Marielena Hincapié, Chefin des National Immigration Law Center, geht wie Tom Jawetz vom Center for American Progress davon aus, dass nun Massenabschiebungen das »oberste Ziel« der Regierung seien. Möglicherweise verletzten die neuen Richtlinien aber die Verfassung. Auch sie werden wohl vor den Gerichten landen.

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