Schlümpfe erklären den Kommunismus

Abgeordnete der konservativen Nationalpartei fürchten eine Indoktrinierung des Nachwuchses

  • Jürgen Vogt, Buenos Aires
  • Lesedauer: 4 Min.

Kongressabgeordnete der konservativen Nationalpartei (NP) wittern eine kommunistische Indoktrinierung durch die neue revolutionäre Avantgarde: Die Schlümpfe, im Spanischen Pitufos genannt. Stein des Anstoßes ist das Grundschulbuch «Uy-siglo XX» (etwa: Uruguay im 20. Jahrhundert) aus dem Verlag Editorial Índice. Darin erklären die Schlümpfe den Kommunismus.

Die Seite des Anstoßes ist die 117. Im Kapitel über die Russische Revolution und den Aufbau des Kommunismus steht: «Vielleicht hilft Dir das folgende Beispiel dabei, dich der Idee einer kommunistischen Gesellschaft anzunähern. Kennst Du die Schlümpfe? Sie sind eine Gemeinschaft, die in einem Dorf lebt. Alle haben Zugang zu einer Wohnstätte. Niemand hungert. Der Wasserbrunnen ist für den gemeinschaftlichen Gebrauch, er gehört niemanden und doch allen. Alle haben Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft, zum Beispiel sich um das zu kümmern, was sie können. Der Kochschlumpf kocht, der Zimmermannschlupf repariert was kaputt ist, und so trägt jeder einzelne der Gemeinschaft mit seiner Arbeit etwas bei und bekommt etwas von der Arbeit der anderen ab. Der Kommunismus könnte ein ähnlicher Zustand sein, wie dieser.» Zu sehen ist ein Bild vom harmonischen Miteinander im Dorf der Schlümpfe.

Ein unhaltbarer Zustand für den NP-Abgeordneten Pablo Iturralde. «Wie werden vom Bildungsminister eine Erklärung verlangen. Möglich ist, dass er metaphorisch erklärt, es sei eine Mischung aus Reina Reyes (eine bekannte uruguayische Pädagogin) und Rosa Luxemburg. Seine NP-Kollegin Graciela Bianchi forderte eine Dringlichkeitssitzung der Kultur- und Bildungskommission des Kongresses mit den Verantwortlichen für die Grundschulen. Luis Lacalle Pou, NP-Senator und ehemals gescheiterter Präsidentschaftskandidat, twitterte sich ebenfalls zu Wort. Er habe schon vor längerem in einem ähnlichen Fall reklamiert. Besonders verwerflich sei, dass der Rat für Grundschulerziehung den Gebrauch des Buches offiziell nicht abgesegnet hat. Der wehrt sich mit dem Argument, dass das Buch an den öffentlichen Schulen gar nicht benutzt werde, sondern ausschließlich in Privatschulen. Dies wiederum wirft ein erhellendes Licht auf die reaktionäre Klasse, der die Kongressabgeordneten angehören: Würden ihre Zöglinge auf öffentliche Schulen statt auf teure Private gehen, wäre ihnen das Buch gar nicht aufgefallen.

Schließlich gestand der kommunistische Abgeordnete Gerardo Núñez ein: »Wir müssen mitteilen, dass bei einer der größten Geheimdienstoperation, die unser Land je erlebt hat, angeführt von Iturralde und Lacalle Pou das Netz der Kinderspione der Partido Comunista, die als Schlümpfe bekannt sind, aufgeflogen ist.« Ja, diese hätten versucht, die Kinder auf den Privatschulen zu indoktrinieren, um sie später den Russen auf Kuba zuzuführen. Man habe jedoch eine internationale Kampagne zu deren Befreiung gestartet. Motto: »Liberar, Liberar, a los Pitufos por luchar!« (Befreit die Schlümpfe, damit sie kämpfen können.) Núñez ging dann aber doch auch ans ernsthaft Eingemachte und kritisierte, dass in dem Text wichtige Aspekte fehlen, wie etwa der Völkermord von Stalin in der Sowjetunion.

Silvana Pera, Autorin den Buches »Uy-siglo XX« kann die Aufregung nicht verstehen. »Man muss es schon arg gewollt lesen, um es mit Kuba, Vietnam oder der Sowjetunion in Verbindung zu bringen.« Wenn die Lehrkräfte im Unterricht den Kommunismus behandeln, ginge es um zwei Präsentationen der Materie. »Einerseits die Theorie des Kommunismus, das bedeutet die Ideen, die aus dem Werk von Karl Marx entspringen und andererseits das, was als Realsozialismus bezeichnet wurde und der anhand der Sowjetunion, Vietnam, Kuba oder Korea bearbeitet werden kann«, so Pera. Das Bild mit den Schlümpfen soll »das theoretische Konzept des Kommunismus verdeutlichen«. Die Schlümpfe dienten dabei lediglich der Illustration des Konzepts und zwar in einem Buch »für zwölfjährige Kinder, in das man eben nicht die ganze Marxistische Theorie hineinpacken kann«. Die Schlümpfe habe man gewählt, da sie in der Welt der Kinder entstammen.

Dennoch hat das Colegio Alemán (Deutsche Schule) in Montevideo den Austausch der Bücher beschlossen. Zur Entscheidung beigetragen hat sicher, dass Pera den Deutschen als Wiederholungstäterin gilt. In einem anderen Geschichtsbuch hatten Pera und andere Autoren den Neoliberalismus »als Schule des ökonomischen Denkens« bezeichnet, für die Gerechtigkeit, Freiheit und Gleichheit keine Priorität hätten.

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