AfD versucht den brüchigen Burgfrieden
Wie die Landeschefs mit einer Erklärung die Rechtspartei vor weiter sinkenden Umfragewerte retten wollen
Es dürfte in den vergangenen Monaten in der AfD wohl kaum einen Beschluss gegeben haben, bei dem Frauke Petry und Björn Höcke an einem Strang gezogen haben. Die beiden fechten seit mehr als einem Jahr einen erbitterten Machtkampf aus. Auf Dauer kann dies für den Erfolg der Rechtspartei nur schädlich sein. Erste Anzeichen deuten sich bereits am Horizont an: In den Umfragen zur Bundestagswahl verliert die Partei kontinuierlich an Zustimmung, zuletzt lag sie nur noch bei acht bis neun Prozent und ist damit klar von früheren Höhenflügen entfernt, als Befragungen sie bei über 15 Prozent sahen.
Obwohl der Trend nach unten zeigt und die Entwicklung für die AfD zwar bedrohlich ist, so ist sie noch nicht existenziell gefährlich. Wahlerfolge, zumal wenn sie höher als in den Umfragen ausfielen, bildeten bisher den Kitt, um die Rechtspartei zusammenzuhalten.
Ein nüchterner Blick auf das Zahlenwerk zeigt: Auch im Superwahljahr 2017 dürfte die AfD in weitere Landtage einziehen. Sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch im Saarland sehen alle Umfragen die Rechten deutlich über der Fünf-Prozent-Hürde. Nur in Schleswig-Holstein sieht es für die Partei mit derzeit sechs Prozent etwas knapper aus. Allerdings: Die Äußerungen Höckes Mitte Januar in Dresden, mit denen er das Berliner Holocaust-Mahnmal unter anderem als »Denkmal der Schande« bezeichnete, sind nicht alleinige Ursache für eine Schwäche der Partei. Im Norden etwa tat sich die AfD bereits schwer, da hatte der Thüringer seine Rede noch nicht einmal gehalten.
Vielmehr gelingt es der Partei derzeit nicht, mit ihren asyl- und islamfeindlichen Themen außerhalb ihrer Kernzielgruppe zu punkten. Das Feindbild der »Flüchtlingskanzlerin Merkel« hat sich spürbar abgenutzt, auch weil die Bundesregierung einige asylfeindliche Positionen der Rechtspartei umsetzte. Der Chef des Meinungsforschungsinstitutes Forsa, Manfred Güllner, behauptet sogar, Teile der gemäßigteren AfD-Wählerschaft spielten mit dem Gedanken, für SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz zu stimmen, nur um Merkel zu entmachten.
Fest steht auch: Einen Einbruch in den Umfragen hatte die AfD schon einmal im Sommer 2016 verkraften müssen. Da lag die Partei im Juli etwa bei einer Forsa-Umfrage ebenfalls nur noch bei acht Prozent. Bekanntermaßen konnten sich die Rechten wieder fangen.
Landeschefs legen Streitereien vorerst auf Eis
Die verschlechterten Umfragewerte reichen allerdings, um einen von der Parteispitze initiierten Burgfrieden auszurufen. In einem Brief aller 16 Landesvorsitzenden an die Basis heißt es: »Die letzten Wochen waren innerparteilich von scharfen Diskussionen um die Ausrichtung der Partei und um einzelne Personen geprägt.« Ein klarer Verweis auf den Dauerstreit zwischen Höcke und Petry. Interessant ist, dass beide in ihren Funktionen als Thüringer beziehungsweise sächsische Landesvorsitzende die Erklärung mittragen.
Darin erklärt die Partei, der Streit habe wichtigere Projekte ausgebremst. So habe man sich von der »eigentlichen historischen Aufgabe, dem politischen Gegner entschlossen und gemeinsam die Stirn zu bieten und glaubwürdige Politik für unser Vaterland zu gestalten, ein Stück entfernt«. Nun gelte es, den Blick nach vorne zu richten, »im gemeinsamen Kampf gegen die Altparteien die Reihen zu schließen« und »in den Veranstaltungen klare Kante zu zeigen«. Das Schreiben endet mit den Worten: »Wir sind die Stimme der deutschen Bürger - greifen wir gemeinsam an!«
An dem laufenden Ausschlussverfahren gegen Höcke ändert der gemeinsame Brief allerdings nichts. Die Landeschefs schrieben sogar in Anspielung auf das vom Vorstand geforderte Parteiausschlussverfahren gegen den Thüringer, der Bundesvorstand habe die Bewertung der aktuellen Personaldiskussion in die Hände der Schiedsgerichte gelegt. Ein Rauswurf Höckes gilt als äußerst unwahrscheinlich, zumal er mit der Erklärung nun signalisieren konnte, im allerletzten Zweifel auch mit seinen innerparteilichen Gegnern kooperieren zu können. Fraglich ist nur, ob und wie lange der verordnete Burgfrieden hält. mit Agenturen
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