»Fliegende Sessel« made in Schwerin

Mecklenburg-Vorpommern: In der Landeshauptstadt nimmt ein Werk für Flugzeugsitze die Produktion auf

  • Grit Büttner, Schwerin
  • Lesedauer: 3 Min.

So viel Raum wie in der Montagehalle werden die Flugzeugsitze nie wieder haben. Schließlich sollen die Hightech-Sessel in engen Kabinen von Passagiermaschinen untergebracht werden. Im neuen Schweriner Werk stehen die ersten Sitzschalen in Reih und Glied. Von Computern überwacht werden Arm- und Rückenlehnen, Kopfstützen, Haltesysteme verschraubt und Unterhaltungselektronik eingebaut. Am Ende werde jeder Sitz auf Herz und Nieren geprüft und freigegeben, sagt Angelika Zimmermann, Mitbegründerin und Geschäftsführerin der ZIM Flugsitz GmbH aus Markdorf (Baden-Württemberg).

In Europa gibt es nur eine Handvoll Hersteller von Flugzeugsitzen, darunter das 2009 gegründete Familienunternehmen ZIM. Am Hauptsitz mit 160 Beschäftigten sei keine Erweiterung mehr möglich, sagt Zimmermann. Daher wurden im tausend Kilometer entfernten Schwerin, der Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern, rund neun Millionen Euro in ein zweites Werk investiert. Gut zwei Millionen Euro Fördermittel kamen vom Land Mecklenburg-Vorpommern. Die offizielle Eröffnung ist für den 3. März geplant.

Der Standort liege in der Nähe zum Flugzeugbauer Airbus und zum Hamburger Hafen, über den die Hightech-Sessel in alle Welt verschifft würden, erklärt Zimmermann. Ende 2017 sollen in Schwerin etwa 70 Beschäftigte arbeiten - und genauso bezahlt werden wie die Kollegen in Markdorf. Das Arbeitskräftepotenzial sei ein wichtiger Grund für die Ansiedlung in Mecklenburg. Ingenieure, Mechaniker, Sattler und Installateure, darunter auch bisherige Pendler und Rückkehrer, würden eingestellt.

Landeswirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) erklärte, die Ansiedlung der ZIM Flugsitz GmbH stärke die gesamte Region im Großraum Hamburg. Die Industrie- und Handelskammer Schwerin spricht von einer »nachhaltigen« Investition. Derzeit beschäftigt die Luft- und Raumfahrtbranche Mecklenburg-Vorpommerns rund 800 Mitarbeiter in 30 Unternehmen.

Noch erscheint die 7500 Quadratmeter große, taghelle und blitzsaubere Werkhalle recht luftig, Vormontage- und Prüfstände würden jetzt nach und nach installiert, sagt Zimmermann. Zugleich laufe die Abnahme des neuen Werks durch das Luftfahrt-Bundesamt, ein Muss zum Produktionsstart. Anfangs sollen pro Jahr in Schwerin rund 20 000 Flugzeugsitze produziert werden. Damit verdoppele sich die Produktionskapazität des Gesamtunternehmens.

Bis dato sind etwa 65 000 ZIM-Flugzeugsitze rund um den Erdball unterwegs. Sie fliegen in allen Klassen der zivilen Luftfahrt - Economy, Premium Economy, Business und First Class. Und auf Kurz- und Langstrecken unter anderem für Lufthansa und Eurowings, Air Berlin, Thai Airways, Air Transat, Mahan Air, Luxair, Blue1, Japan Airlines, Air Transat sowie für Singapore Airlines.

Der Sitz sei für den Komfort an Bord von Passagiermaschinen entscheidend, erklärt die studierte Maschinenbau-Ingenieurin Zimmermann. Nicht umsonst zerbrechen sich Designer, Techniker, Materialexperten monatelang die Köpfe, wie ein Sessel bequemer, sicherer, langlebiger, platzsparender zu bauen - und wie hochwertige Unterhaltungselektronik zu integrieren ist.

Dabei drehe sich alles ums Gewicht, erklärt die Geschäftsführerin. Ein Economy-Sitz bringe gerade einmal neun Kilo auf die Waage. »Je weniger ein Sitz wiegt, umso sparsamer fliegt die Airline.« Die ZIM Flugsitz halte Patente für ihre Entwicklungen zum Grundaufbau der »fliegenden Sessel« sowie zu Komponenten und Materialien. Zum Einsatz kämen etwa Carbon, eine superleichte Kohlenstofffaser, Titan, Aluminium und Magnesium. Mix und Verarbeitung der Stoffe nach Kundenwunsch seien das Geheimrezept der Firma, betont Zimmermann.

Laut dem Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) steigerte die zivile Zulieferindustrie 2015 den Umsatz um 8,5 Prozent auf 10,6 Milliarden Euro. Die hochspezialisierten mittelständischen Unternehmen partizipierten an dem Hochlauf der zivilen Luftfahrtzeug-Programme und gewännen zunehmend Programmbeteiligungen außereuropäischer Flugzeughersteller, hieß es vom Verband. dpa/nd

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