Alle für Brunhilde
Endlich frühlingshafte Lüfte. Ein Fenster bleibt auf, nicht nur in der Nacht, jetzt auch am Tage, wenn mit der frischen Brise der Staub in die Stuben weht. Die grauen Flusenbällchen kullern in unseren Gemächern herum, fast so wild und frei wie ihre großen Brüder auf einer Landstraße in Jamaika, Kuba oder Krakow am See. Das passt zur Scheibe der Weltenbummler Ronny Trettmann und Megaloh, »Herb und Mango«, die hier in der Dauerschleife läuft. Das ist Dancehall, HipHop oder einfach Fernwärme aus Trenchtown-Leipzig. Ronnys Elektrostimme transportiert jede Menge Seele. Sing, mei’ Sachse, sing! Und was für krumme Reime: »Kick den Landlord vom Pferd und quadriere das High/ Hab nen Sheriff erschossen, ließ den Deputy frei/ Zieh noch mal am Bob Marley, sing: ›No Woman, No Cry‹/ Einer für alle, alle für Brunhilde«. Diese EP liegt dem aktuellen »Juice«-Magazin bei, so was zieht mein Sohn an Land. Prima.
Eigentlich müssten wir mal nach Jamaika düsen, aber nicht vom BER aus, denn der wird vor 2030 nicht fertig, weil die AfD nach dem derzeitigen Tief wieder zulegen und gewagte Ansprüche anmelden wird: dass der BER, ähnlich wie das Riesenbauwerk am ehemaligen Flughafen Tempelhof, über fünf Kellerabschiebeknastetagen verfügen soll. Verrückt! Und im Axel-Springer-Hochhaus wird gemunkelt, die Linken werden ein verhuscht-modernes Ziegeldach draufsetzen wollen, in der zeitlos schönen Form von Rotkäppchens Kopfbedeckung. Wer soll das bezahlen? Wie werden die Damen und Herren sich rausreden?
Trettmann reimt: »Anorak Camouflage, ahnbare Entourage/ Swagga so anormal - natural, natural/ Kodiertes Vokabular, Wiese Tarantula/ ›Cold As Ice‹, Foreigner - Nowosibirsk im Januar.« Klingt gut, passt zu unserer Haushaltskasse. Ich bezahle die Musik, mein Sohn vergisst, das Taschengeld einzufordern. Ist uns egal, der kleine Vorteil bleibt in der großen Familie. Aber wie viele Milliarden wurden schon für den BER versenkt? Und nun das Ganze mal sechs? Fünf Kelleretagen, ein Wolkenkuckucksheim - und die Tür wird noch immer nicht zugehen.
Ich mach mir ’n Kopp, sinniere über die anstehenden Fußballspiele vom Wochenende. Mein Terrain sind die Torwetten, schön in einer Kombination aufgelistet, 20 mal über 0,5 Tore. Jawoll, codiertes Vokabular. So fällt das Zockerminus nicht auf und meine Sparkassentante bleibt nett. In den europäischen Ballerligen stehen genügend entscheidende Spiele an. Zum Beispiel in der englischen Premiere League und in der Championship, sowie in der deutschen, niederländischen und spanischen 1. Liga; da gibt es keine Nullnummern, keine Kombikrücken. Und wenn doch, sind wir traurig; aber nicht so lange wie die Faschingsnarren, die sich während ihrer Rosenmonate von November bis Februar zu wenig dem Dancehall hingeben. In unserer Hütte pumpt der Beat, reimt der Trett’: »Freitagnacht Landgang/ TurnUp ohne Anstand/ TurnUp ohne Anhang«.
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