Ein skurriler Termin für den IT-Chef
Thüringens Verwaltung tickt zumeist noch immer analog
Thüringens Finanzstaatssekretär Hartmut Schubert ist nicht nur der Amtschef jenes Ministeriums der rot-rot-grünen Landesregierung, dass das Geld eintreiben und zusammenhalten soll. Der 57-Jährige ist auch der oberste IT-Beauftragte des Landes und damit verantwortlich dafür, dass die Verwaltung im Freistaat endlich deutlich digitaler wird als bislang. Für den Bürger heißt das: Behördengänge online erledigen, sich digital ausweisen, Gebühren über das Internet statt bar bezahlen können. »Da sind wir eigentlich Entwicklungsland, will ich mal sagen«, meint Schubert.
Allerdings ist offenbar nicht jedem Staatsdiener im Land diese Doppelrolle Schubert klar. Andernfalls könnte der kaum die skurrile Geschichte erzählen, die viel darüber sagt, wie nicht wenige Angestellte des öffentlichen Dienstes und Beamte im Freistaat auf die digitale Welt schauen, in die Schubert sie führen will.
Die Geschichte beginnt damit, dass Schubert vor einiger Zeit einen neuen Personalausweis beantragen musste. Wie jeder andere Bürger in regelmäßigen Abständen auch. Wobei sich auch Schubert entscheiden konnte: Will er für das Dokument die Online-Ausweisfunktion freischalten lassen? Damit kann die Identität des Ausweisinhabers im Internet und auch an sogenannten Bürgerterminals zweifelsfrei nachgewiesen werden. Oder soll diese Zusatzfunktion des Personalausweises nicht aktiviert werden?
Die Empfehlung des Staatsdieners, mit dem Schubert damals zu tun hatte - so sagt der Staatssekretär selbst - sei eindeutig gewesen: Lassen Sie das nicht freischalten! Und: »Was wollen Sie denn damit? Sie können das ohnehin nicht nutzen und am Ende sind Ihre Daten nur irgendwo abrufbar.«
»Da muss es ein ganz großes Umdenken in der Verwaltung geben«, sagt Schubert. Immerhin werde der Personalausweis mit seiner Online-Funktion ein zentrales Element bei allem sein, was in den nächsten Jahren mit der digitalisierten Verwaltung zu tun habe. Diese Digitalisierung werde »eine größere Umwälzung für die öffentlich-rechtliche Verwaltung sein als eine Gebietsreform«.
Es ist zwar skurril, dass ausgerechnet dem obersten IT-Beauftragten des Freistaats derartiges passiert ist. Doch allen, die sich mit der Digitalisierung in der Verwaltung beschäftigen, ist klar, dass in dieser Angelegenheit nicht so sehr Kostenfragen im Wege stehen. Sondern vielerorts sind es Verwaltungsmitarbeiter, die ihr Leben lang mit Papierakten und persönlichen Bürgerkontakten gearbeitet haben - und die kaum bereit sind, dies zu ändern. Freilich gibt es nahezu in allen Thüringer Behörden inzwischen einen oder zwei digital-enthusiastische Staatsdiener. Doch die Mehrzahl von ihnen tickt eher analog.
Gerade auch in der Thüringer Justiz merken das all jene, die dort versuchen, die elektronische Justiz-Akte einzuführen. Auf den Fluren des Justizministeriums des Landes wird deshalb schon gemunkelt, nicht alle der heutigen Staatsanwälte und Richter seien überhaupt willens, diesen Umbruch mitzumachen. Weil es aus ihrer Sicht doch bisher auch analog ging.
Die Tatsache, dass derzeit relativ viele - wenn auch aus Sicht von Kritikern noch immer zu wenige - junge Juristen in den Thüringer Staatsdienst eingestellt werden, wird deshalb als wichtiger Faktor gesehen, um die Digitalisierung in der Justiz voranzutreiben. Die Jungen immerhin hätten deutlich weniger Angst vor dem Digitalen als die Älteren.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.