Konservative bringen Justiz auf Linie

Neue Gesetze sollen Polens Gerichte fester an die Regierung binden

  • Wojciech Osinski, Warschau
  • Lesedauer: 4 Min.

Nachdem seit Ende 2016 das Trybunal Konstytucyjny, das Verfassungsgericht, mit regierungsnahen Richtern gespickt ist, sollen nun auch andere Organe nach dem Willen der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) auf Linie gebracht werden. So hat der stellvertretende Justizminister Patryk Jaki im Sejm drei Gesetzesentwürfe eingebracht, die in ihrem Kern allesamt darauf abzielen, die Gerichte stärker an die nationalkonservative Regierung zu binden. Der Nationale Gerichtsrat (KRS) soll in zwei Kammern aufgeteilt werden, wobei die zweite direkt vom Parlament gewählt würde. Entscheidungen über neue Richter und diverse andere Beschlüsse dürften nur noch gemeinsam von beiden Kammern getroffen werden.

Damit bekäme der Sejm, in dem die seit 2015 regierende PiS über die absolute Mehrheit verfügt, ein Vetorecht bei die Besetzung aller wichtigen Richterposten. Überdies soll die Amtszeit der bisherigen Mitglieder des KRS verkürzt werden und nach nur drei Monaten enden. Darüber hinaus dürften künftig nur diejenigen einen Richterstatus erlangen, die eine staatliche Richterschule absolviert haben - unabhängig von den erbrachten Leistungen an einer Hochschule. Auch soll ein Disziplinarrat eingeführt werden, der wohl unter dem Deckmantel der Korruptionsbekämpfung »unbequeme« Richter aussortieren wird.

Nachdem der regierungskritische Präsident des polnischen Verfassungsgerichts, Andrzej Rzeplinski, im Dezember vergangenen Jahres in den Ruhestand verabschiedet wurde, gab es wochenlang keine weithin hörbare kritische Stimme eines Vertreters seiner Zunft, der bewusst auf die Medien zugegangen wäre. Bis Ende Januar. »Die Zeit, da wir uns auf die in unserer Verfassung festgelegte Grundlage eines demokratischen Rechtsstaats verlassen konnten, scheint fast vorbei zu sein. Wir müssen nun alles tun, um die letzten Reste der Unabhängigkeit der Justiz zu retten«, empörte sich Malgorzata Gersdorf, Präsidentin des Obersten Gerichts, während einer Konferenz mit ranghohen Kollegen. Die ansonsten eher wortkarge Juristin reagierte mit ihrer emotionsgeladenen Rede auf die unlängst von Justizminister Zbigniew Ziobro vorgeschlagene Reform des polnischen Gerichtswesens.

»Ziobro will allen zeigen, dass er hier der Sheriff ist. So einer war vielleicht im Wilden Westen gefragt, wo es keinerlei Regeln gab. Bei uns gilt jedoch immer noch eine Verfassung«, ärgert sich der Pressesprecher des KRS, Waldemar Zurek. Derzeit gebe es in Polen nur zwei Gewalten, weil die exekutive mit der legislativen schon längst verschmolzen sei. Nun seien die Gerichte »an der Reihe«, so der Jurist.

Zurek glaubt, dass die PiS nach der Beschneidung des Verfassungsgerichts und des Nationalen Gerichtsrates im Eiltempo auch das Oberste Gericht unter ihre Kontrolle bringen wird, um eine monatelange Fehde wie im letzten Jahr frühzeitig zu unterbinden. Ziobros Frontalangriff wird durch eine negative Grundstimmung gegenüber Richtern begünstigt. Sie genießen in der polnischen Gesellschaft keinen guten Ruf.

Im September letzten Jahres behauptete die Richterin Irena Kaminska, Mitglieder ihrer Zunft seien eine »außergewöhnliche Sonderkaste«. Das brachte ihr nicht nur Spott und Häme ein, sondern festigte auch Vorurteile über eine angebliche »Realitätsferne« der obersten Gesetzeshüter.

Auf dieser gesellschaftlichen Abneigung gegen ein in der Tat veraltetes Justizsystem bauen regierungsnahe Medien ihre Kampagne auf, die Ziobros Reform zu rechtfertigen sucht. In Boulevardblättern wie dem »Super Express« wurde eine regelrechte Hasskampagne gegen Gerichtspräsidentin Gersdorf eingeleitet. Ranghohe Richter seien in einen Ladendiebstahl verwickelt gewesen, ein weiterer habe Schmiergeld angenommen, ein anderer wiederum wird der Pädophilie bezichtigt.

Dem Warschauer Richter Igor Tuleya, der im Frühjahr 2015 den heutigen Geheimdienstkoordinator Mariusz Kaminski zu einer Freiheitsstrafe verurteilte, wird angelastet, er habe jüngst einem schuldigen Mörder eine finanzielle Entschädigung ermöglicht. »Solche Personen dürfen heute noch allen Ernstes ihren Beruf ausüben, aber ich kann ihnen versichern: das Ende der ›Sonderkaste‹ ist nah. In Zukunft werden Richter ausschließlich ihrem Volk dienen«, versprach Ziobro in der Sendung »Bez Retuszu«.

In regierungskritischen Kreisen sorgt der rigorose Kreuzzug des Justizministeriums für empörte Reaktionen. »Die Kampagne gegen das polnische Gerichtswesen soll nicht etwa der längst überfälligen Justizreform dienen, sondern dessen Politisierung. Es sieht nicht gut aus«, sorgt sich Jerzy Domanski, Chefredakteur des linken Wochenmagazins »Przeglad«.

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