Bremerhaven sieht sich abgehängt
Entlassungen in der Lloyd-Werft, Streichungspläne beim Hafen - und das bei einer Arbeitslosigkeit von 13,8 Prozent
Es läuft nicht gut für Bremerhaven. Die Stadt an der Wesermündung in die Nordsee hat zwar den größten deutschen Auto-Umschlag-Hafen, aber auch eine der höchsten Arbeitslosenquoten der Republik.
In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass die von der asiatischen Genting Group übernommene Lloyd Werft in Bremerhaven mehr als ein Viertel der noch verbliebenen Arbeitsplätze streicht. Zugleich wurden Pläne der BLG Logistics Group (BLG) publik, wonach ihr Gesamthafenbetriebsverein im Land Bremen (GHB) umstrukturiert werden soll. Dies wird den Abbau von rund 600 Arbeitsplätzen bedeuten, wobei ein Großteil jedoch in Bremen und nicht in Bremerhaven liegt.
Während für viele GHB-Angestellte Lösungen gefunden werden sollen - was auch die Gewerkschaft ver.di als realistisch einschätzt, aber einen Kampf mit harten Bandagen erwartet - gibt es einen Bremerhavener, für den der Umbau des Hafendienstleisters besonders unangenehm zu werden scheint: Martin Günthner.
Der Bremerhavener ist Senator des Bundeslandes Bremen für Wirtschaft, Arbeit, Häfen, Justiz und Verfassung. Damit sitzt der SPD-Politiker sozusagen im Auge des Sturms. Da über 75 Prozent der Anteile der BLG über verschiedene Institutionen in Bremer Händen liegen, ist Günthner doppelt gefordert: Als Senator für Arbeit ist er zuständig für die GHB-Angestellten, als Ressortchef für die Häfen ist er Ansprechpartner der Wirtschaft. Und die Bremer Regierung hat großes Interesse an Gewinnmaximierung »ihrer« BLG. Günthners Versuche, die aufgebrachten Arbeitnehmervertretungen, die die Bremer LINKEN und die Bremer SPD-Fraktion auf ihrer Seite haben, sowie die BLG zur Besonnenheit zu bringen und den Pressewirbel einzudämmen, fruchten nicht viel. Die Aufforderung, es solle in Ruhe verhandelt werden, um für alle Beteiligten das Bestmögliche herauszuholen, verhallt im Wutgeschrei der betroffenen GHB-Leute.
Was womöglich auch mit den jüngst von der Agentur für Arbeit veröffentlichten Arbeitslosenzahlen für diesen Februar zu tun hat. Insgesamt hatte das Bundesland Bremen eine Arbeitslosenquote von 10,6 Prozent. Doch während für die Stadt Bremen laut Statistik 10,0 Prozent ausgewiesen werden, lag die Quote in Bremerhaven bei 13,8 Prozent - und damit um zehn Prozent höher als zum Beispiel in Bayern.
Das wiederum führte unter anderen Bremerhavens Oberbürgermeister Melf Grantz (SPD) ins Feld, als kürzlich wieder einmal klar wurde, dass der aufgestellte Haushalt der Seestadt ausgabenseitig um mehrere Millionen Euro über den Einnahmen liegen wird.
Aber nicht nur die hohe Arbeitslosigkeit und hohe Zahl an Bremerhavenern, die auf staatliche Leistungen angewiesen sind, wird von Grantz angemerkt. Mit Selbstbewusstsein und Kampfeslust greift er auch Bremen an, das aus seiner Sicht beim Abrechnen mogele. Die beiden Schwesterstädte des Bundeslandes bilden jeweils eine eigene Kommune, es gibt ein Landesparlament, das in Bremen arbeitet, und jede Stadt hat noch ein eigenes Stadtparlament. Grantz wirft seinen Bremer Kollegen nun vor, Kosten und Einnahmen des Landesparlaments und der Bremer Stadtbürgerschaft nicht sauber zu trennen und so den Proporz zwischen den beiden Kommunen Bremen und Bremerhaven zu verzerren. Bremens grüne Finanzsenatorin Karoline Linnert versprach immerhin, die Sache zu prüfen.
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