Fritz war halt kein Huhn
Was die Anteilnahme am Tod des Berliner Eisbären über das menschliche Verhältnis zu Tieren aussagt
Fritz ist tot. Das Eisbärenkind wurde nur vier Monate alt, verstarb am Montagabend an den Folgen akuten Organversagens, wie Zoo- und Tierpark-Direktor Andreas Knieriem am Dienstag erklärte. Wer die Bilder dieser Pressekonferenz sah, musste denken, hier wäre eben Historisches passiert. Alle waren gekommen: Reuters, das ZDF, N24, RTL und natürlich der rbb. Immerhin ging es hier um eine Nachricht, die weit über Berlin hinaus für Aufmerksamkeit und Anteilnahme sorgte. Zumindest hatte es den Anschein, denn #fritz stand seit dem Vormittag deutschlandweit oben in den Twitter-Trends.
Bild.de macht daraus eine Geschichte, wie sie in diesem Fall wohl nicht nur der Boulevard schreibt. »Wir konnten ihm nicht helfen«, zitiert das Blatt Knieriem, detailliert wird der kurze Leidensweg des jungen Eisbären beschrieben, ganz so, als ob es sich um einen Menschen gehandelt habe.
Diesen Vorwurf müssen sich sonst immer nur Tierrechtler gefallen lassen. Wenn sie darauf hinweisen, dass auch Schweine, Kühe und Hühner Gefühle und Schmerzen empfinden, wird ihnen von Kritikern vorgehalten, sie dürften Tiere nicht vermenschlichen, ihre Empathie zu nichtmenschlichen Lebenwesen sei völlig übertrieben. Bei Fritz scheinen dagegen vor Emotionalität triefende Formulierungen wie »um 20 Uhr hörte sein Herz auf zu schlagen« gerade gut genug.
War ja schließlich auch ein niedliches Eisbärenbaby und kein Huhn, was da in Berlin starb. Apropos Hühner: Als deren Artgenossen vor Weihnachten zu zehntausenden den Tod fanden, weil landesweit die Vogelgrippe ihr Unwesen trieb, zerbrachen sich deutsche Medien vor allem den Kopf darüber, ob denn der Weihnachtsbraten gesichert sei.
Es gehört schon ein gehöriges Stück Verdrängungsleistung dazu, am Tod des einen nichtmenschlichen Lebewesens anteil zu nehmen, es als Individuum wahrzunehmen, während man Millionen andere, deren einziger Zweck ist, innerhalb kürzester Zeit im menschlichen Magen zu landen, auszublenden. Einzig deshalb, weil der Mensch sie als »Nutztiere« deklariert. Deren Lebenswege durch diesen Zweck vorgezeichnet sind: Geburt, Mast, Schlachthaus, Teller.
Bei Fritz dagegen hätte es mit Sicherheit schon einen Aufschrei geben, wenn ihn jemand der Kategorie »Nutztier« zugeordnet hätte. Das Eisbärenbay war eben kein anonymes Wesen. Sein Lebensweg wurde von Anfang an von der Öffentlichkeit verfolgt, demnächst sollte er im Berliner Tierpark Millionen Gäste erfreuen. Womit das Eisbärenkind am Ende doch mehr Ähnlichkeit mit einem Masthuhn hat, als es zunächst scheint. Auch die Existenz von Fritz war an die Bedingung geknüpft, dem Menschen zu dienen, einen konkreten Zweck zu erfüllen. Statt als Braten zu enden, hätte er sich täglich den Blicken von Zoobesuchern aussetzen müssen. Welch absurden Blüten das trieb, ließ sich bei Fritz` Vorgänger Knut beobachten. Auf einen ähnlichen Hype wurde nun ebenfalls gehofft. Nicht einmal post mortem hat Knut Ruhe, ein Präparat mit seinem Fell steht im Berliner Naturkundemuseum.
Übrigens: Erst am 27. Februar warnten zum wiederholten Mal Naturschutzverbände anlässlich des internationalen Tag des Eisbären, dass die Zahl der in freier Wildbahn lebenden Tiere rapide abnimmt. Hauptursache ist der vom Menschen befeuerte Klimawandel. Am Ende kann der ja den Eisbären noch immer im Zoo begaffen und danach genüsslich ein Huhn verspeisen.
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