Volksinitiative nur ein politischer Appell

SPD erkennt keine rechtliche Bindungskraft der knapp 130 000 Unterschriften gegen die Kreisgebietsreform

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Volksinitiative »Kreisreform stoppen« ist zulässig. Dies beschloss der Hauptausschuss des Landtags am Dienstag einstimmig. Doch die Volksinitiative mit ihren knapp 130 000 Unterschriften sei ohne rechtliche Bindungskraft. Dies sei eine beachtenswerte Schlussfolgerung im Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdienstes, sagte SPD-Landtagsfraktionschef Mike Bischoff am selben Tag. Die hohe Zahl abgegebener Unterschriften sei zwar zweifellos eine »umfangreiche Petition«, aber auch nicht mehr, wertete Bischoff und verwies auf einen fehlenden Gegenvorschlag zur Kreisgebietsreform. Das Parlament bleibe auch nach der Volksinitiative frei in seinem Entschluss. Darin liege ein »entscheidender Punkt«. Er empfehle der CDU, Freien Wählern und AfD, »verbal abzurüsten«, sagte Bischoff. Wenn sie sich dafür entschieden haben, keinen Gegenentwurf vorzulegen, dann sei dies sicher eine bewusste Entscheidung gewesen. Besser wäre allerdings, es läge ein solcher Entwurf vor, weil man dann »konkret hätte diskutieren können«.

Indessen nehmen die Freien Wähler schon einen Volksentscheid über die Kreisreform in den Blick. Zuvor ist allerdings ein Volksbegehren notwendig, bei dem innerhalb eines halben Jahres mindestens 80 000 gültige Unterschriften geleistet werden müssen. Der Abgeordnete Christoph Schulze nannte als Zeitpunkt dafür einen Termin »vor Ausschreibung der Kommunalwahl 2019«. Die Verbindung mit einer größeren Wahl - parallel zur Bundestagswahl klappt es terminlich nicht mehr - sei aus heutiger Perspektive nicht gegeben, es drohe sozusagen ein »isolierter Volksentscheid«, aber das sei möglicherweise auch günstig, weil das Abstimmungsergebnis dann unverfälscht sei, meinte Schulze. Er erinnerte an die 1996 bei einem Volksentscheid in Brandenburg abgelehnte Länderfusion mit Berlin. Damals sei die Abstimmung »von oben« angesetzt worden. Die Ablehnung der Kreisreform werde hingegen in einer Initiative von unten getragen. Die neuerdings signalisierte »Gesprächsbereitschaft« von SPD- und LINKE nehme er zur Kenntnis. Es dürfe aber nicht auf wenige Korrekturen an der Kreisneugliederung hinauslaufen. Schließlich sei man nicht auf einem »orientalischen Basar«, sagte Schulze. Sein Kollege Pèter Vida erklärte, inzwischen habe die Hälfte der Kreistage ein Votum formuliert, das die Gebietsreform ablehne.

Nachdenklicher äußerte sich Grünen-Fraktionschef Axel Vogel. Die Volksinitiative könne nicht unmittelbar zu einem geänderten Landesrecht führen. So gesehen habe SPD-Fraktionschef Bischoff recht, wenn er die fehlende juristische Verbindlichkeit geltend mache. Doch werde diese formale Betrachtung nicht der politischen Bedeutung des Vorgangs gerecht. Eine trockene Ablehnung der Volksinitiative auf juristischer Basis könnte zu schweren Verstimmungen und zu bedenklicher Politikverdrossenheit führen. Vogel trat dafür ein, Kompromisse auszuloten. Doch befürchtet er, dass es zu einer Einigung nicht kommen werde. Denn über die Initiatoren der Volksinitiative »Kreisreform stoppen« weiß Vogel: »Sie wollen den Volksentscheid.« Schließlich kündigte die CDU an, die Kreisreform zu ihrem Wahlkampfschlager im Bundestagswahlkampf 2017 zu machen.

Die LINKE kann sich Korrekturen an der gegenwärtig vorgeschlagenen politischen Landkarte der Zukunft vorstellen. Es sei die Frage, ob es beim riesigen Niederlausitzkreis bleibe, sagte Linksfraktionsgeschäftsführer Thomas Domres. Ein Einlenken sei vorstellbar. »Wir sind kompromissbereit, und wir hoffen, dass es die Vertreter der Volksinitiative auch sind«, sagte Domres. Er wies den Vorwurf eines orientalischen Basars zurück. Ihm seien keine substanziellen Gegenvorschläge der Freien Wähler bekannt. Da sehe er nur eine Totalverweigerung.

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