Psychoterror gegen Linken in Fulda

Bedrohter Gewerkschaftssekretär aus Hessen geht mit Details an die Öffentlichkeit

  • Hans-Gerd Öfinger, Fulda
  • Lesedauer: 3 Min.

Goerke ist Gewerkschaftssekretär bei der Bahngewerkschaft EVG in Hessen und Sprecher des Vereins »Fulda stellt sich quer«. Mit Veranstaltungen gegen Neofaschismus und Rassismus, unter anderem gegen den Thüringer AfD-Fraktionschef Björn Höcke, ist er in das Visier der rechten Szene geraten. Leider ist Goerke nicht der erste Fall, bei dem Menschen, die sich offen gegen Rechts engagieren, von der rechten Szene terrorisiert und bedroht werden.

Anfang Februar fuhren Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr vor Goerkes Wohnhaus vor, nachdem ein anonymer Anrufer einen Brand im Haus gemeldet hatte. Wenig später standen Pizzalieferanten vor der Tür, obwohl die Familie nichts bestellt hatte. Am Tag darauf wurden zahlreiche nicht georderte Pakete geliefert. Per Brief wurde Goerke eine Mitgliedschaft in der NPD bestätigt. Anonyme Absender und Anrufer denunzierten ihn bei seinem Arbeitgeber und bei Geschäftspartnern seiner Frau.

Wenige Tage später wurde es noch schlimmer: Ein Einsatzkommando der Polizei stürmte das Wohnhaus und stand mit gezogener Waffe vor Goerke, nachdem sich ein anonymer Anrufer als Andreas Goerke ausgegeben und behauptet hatte, dass er seine Frau umgebracht habe. Mitte Februar lag ein anonymer Brief mit einer Morddrohung gegen seinen Sohn Lucas im Briefkasten. Andreas Goerke war zu diesem Zeitpunkt verreist. »Dein Sohn ist tot! Wenn ich ihn irgendwo auf der Straße sehe, egal wo, egal wann. Dieser Dreckssohn einer linksradikalen Kommunisten bekommt von mir ein Messer in den Hals«, so das Schreiben im Wortlaut, das Andreas und Lucas Goerke bei der Pressekonferenz vor zahlreichen Journalisten, Lokalpolitikern und Gewerkschaftern präsentierten.

Während sich die nach der Morddrohung herbeigerufenen Polizeibeamten professionell gegenüber seiner Frau und seinem Sohn verhalten hätten, kritisierte Goerke das Verhalten von Beamten des Staatsschutzes. Diese hätten Hinweise auf eine Spur zu den Tätern nicht beachtet und durch ihre Fragestellung immer wieder versucht, die Schuld bei ihm oder dem Verein »Fulda stellt sich quer« zu suchen. »Meine Frau und mein Sohn wurden vier Stunden ohne etwas zu Trinken verhört. Es wurden ihnen Fragen gestellt, die ich sehr kritisch sehe«, so Andreas Goerke.

»Ich wurde gefragt, ob mich mein Vater politisch beeinflusst und ob wir für die Vorfälle in gewisser Weise nicht selbst verantwortlich sind«, berichtete der 17-jährige Lucas. »Ich habe mich gefühlt, als wäre ich selbst der Täter, der verhört wird.« Solche Erfahrungen zeigten, dass der Staat »auf dem rechten Auge blind« sei. Sie hätten ihn darin bestärkt, an die Öffentlichkeit zu gehen und sich nicht aus Angst zu verstecken, so Goerke gegenüber »nd«.

Rückendeckung erhielt Goerke auch von EVG-Chef Alexander Kirchner, der es in einer Pressemitteilung begrüßte, »dass der betroffene Kollege und der Verein nun selbst die Öffentlichkeit suchen, auch um deutlich zu machen, was in dieser Gesellschaft los ist«. Es sei »leider kein Einzelfall, dass Menschen, die sich politisch gegen Rechts engagieren, Opfer von Übergriffen werden«, so Kirchner. Im vergangenen Jahr hatte Erich Pipa (SPD), Landrat des hessischen Main-Kinzig-Kreises, nach anonymen Drohungen aus der rechtsextremen Szene gegen ihn und seine Familie auf eine weitere Kandidatur verzichtet. »Ich fühle mich vom Staat nicht geschützt«, so Pipa.

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