Ernähren Äpfel eine Familie?
Eine Familie in Schwerin macht vor, wie eine zukunftsfähige Obstplantage aussehen kann
Schwerin. Kann man mit Äpfeln eine Familie ernähren? Johannes und Sophia Schmidt sind überzeugt davon. »Unser viertes Kind ist unterwegs«, sagt der 33-jährige Landwirt. Vor acht Monaten haben er und seine Frau einen Bio-Obstbaubetrieb in Medewege am Stadtrand von Schwerin übernommen. 17 Hektar mit Option zur Erweiterung. Langfristig denken sie an eine Verdopplung der Fläche.
Betriebsgründer Wolf-Dietrich Kloth hatte sich fünf Jahre lang nach einem Nachfolger umgesehen. Es eilte nicht, er ist jetzt 62. Aber: »Pro Jahr geben in Deutschland Tausende Landwirtschaftsbetriebe auf, weil sie keinen Nachfolger finden«, sagt er. Diese Aussicht erschreckte ihn. Gefunden wurde schließlich eine sehr gelungene Variante, wie der Obstbauberater Rolf Hornig aus Schwerin sagte. Über seine Erfahrungen will Kloth auf dem Bio-Obstbautag am Mittwoch in Güstrow berichten.
Der Obstbau habe ihn mehr als 20 Jahre lang beschäftigt und zuletzt auch ernährt. Als in den 1990er Jahren überall Obstbaumanlagen aus DDR-Zeiten abgeholzt wurden, pflanzte der Schiffbauingenieur seine Plantage für Bioäpfel. Die Liebe zu Äpfeln habe er von seinen Großeltern mitbekommen. Die Möglichkeit, Äpfel anzubauen, bot ihm der Demeter-Hof Medewege. Seinen Nachfolger fand Kloth ebenfalls dort. Unter dem Dach des Hofs gibt es mehrere Betriebe, darunter eine Gärtnerei, wo Schmidt arbeitete.
Kloth und die Schmidts einigten sich für den Verkauf auf ein Modell, das beiden Seiten Vorteile bringt, wie sie meinen. Die Summe wurde nicht auf einmal fällig, sondern als monatliche Teilrente ausgezahlt. Zudem arbeitet Kloth noch ein paar Jahre mit. Den Betrieb sehen alle Seiten gut aufgestellt. Berater Hornig ist sicher, dass er die sechsköpfige Familie ernähren wird: Im Biobereich seien die Preise deutlich höher als bei konventioneller Ware, sagt er.
Insgesamt haben sie rund 100 Apfelsorten im Angebot - von der rot-gelben Hauptsorte Topaz bis hin zu alten Sorten, von denen vielleicht nur ein einziger Baum auf einer der Wiesen steht. »Vier bis fünf Monate lang sind Äpfel zu ernten«, sagt Schmidt. Gepflückt werde nur per Hand, sagt der Firmenchef. »Äpfel sind wie rohe Eier.«
Vermarktet werden Obst und Säfte regional. »25 bis 30 Prozent lassen sich in Schwerin absetzen«, sagt Kloth. Ansonsten verkaufen Läden in Lübeck, Hamburg und Rostock sowie Abo-Kisten-Betriebe die Ware. Zum Mosten wird das Obst nach Lüthau in Schleswig-Holstein gebracht.
Die Äpfel werden unter kontrollierter Atmosphäre eingelagert, so dass sie frisch bleiben. Das passiert ebenfalls in Hamburg und Schleswig-Holstein. Transporte und die lange Lagerung wirken sich negativ auf die Energiebilanz der Bio-Äpfel aus, gibt Schmidt zu. Die Alternative wären jetzt Äpfel aus Neuseeland, deren Energieverbrauch trotz des weiten Weges sogar geringer sein könnte. Der Strom für die Obstlagerung könne jedoch aus umweltfreundlichen Energien stammen, der Treibstoff für Flugzeuge und Schiffe nicht, argumentiert Schmidt. »Außerdem fühle ich mich dem regionalen Gedanken verpflichtet«, sagt er. dpa/nd
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