Keine Streiks bis zum Wochenende

Ver.di gibt Arbeitgebern »Nachdenkpause« / Ryanair soll Streikbrecher eingesetzt haben

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 3 Min.

Flugreisende von und nach Berlin können vorerst aufatmen: Der Flugverkehr an den beiden Hauptstadtairports Tegel und Schönefeld soll an diesem Mittwoch wieder normal abgefertigt werden. Der laufende Streik werde um 5 Uhr früh beendet, kündigte die Gewerkschaft ver.di am Dienstag an. Der Arbeitskampf im Tarifkonflikt um die rund 2000 Beschäftigten des Bodenpersonals an den Flughäfen soll nach ver.di-Angaben bis zum Wochenende ausgesetzt werden.

»Wir haben uns zu dieser Streikpause entschlossen, um den Arbeitgebern eine weitere Nachdenkpause zu gewähren«, erklärte ver.di-Streikleiter Enrico Rümker am Dienstag. Nur wenn das Arbeitgeberkonsortium aus WISAG, Aeroground, Ground Solution, AHS und Swissport ein verbessertes Angebot vorlege, könne eine Einigung erzielt werden. Die Arbeitgeber hatten zuvor eine Schlichtung ins Gespräch gebracht. »Wir sehen die Schlichtung als einzige Lösung, für beide Seiten eine vertretbare Lösung zu finden«, sagte Tim Alexandrin vom Forum der Bodenverkehrsdienstleiter. Die Gewerkschaft will jetzt über das Schlichtungsangebot beraten.

Auch am Dienstag waren wieder 90 Prozent aller Flüge in Berlin ausgefallen. Nach Angaben der Flughafengesellschaft wurden in Tegel 453, in Schönefeld 125 Flüge gestrichen. Am Montag waren an beiden Standorten insgesamt 600 Flüge ausgefallen. Trotz der jetzt ausgerufenen Streikpause erwägt ver.di weitere Arbeitskampfmaßnahmen nach dem Wochenende. Dann sogar ohne Vorabankündigung. Der Grund: Die irische Billigfluggesellschaft Ryanair soll am Dienstag eigenes Personal aus dem Ausland eingeflogen haben, um zwölf Flüge in Schönefeld abzufertigen. »Wenn Streikbrecher eingesetzt werden, ist es uns nicht mehr möglich, weitere Streiks wie bisher 18 Stunden vor Beginn anzukündigen«, so ver.di-Streikleiter Rümker. Die Gewerkschaft sieht die Maßnahme als weitere Verschärfung des Konflikts, die die Belegschaft spalten würde. Zumal Berichten zufolge auch Turkish Airlines und Easyjet eigenes Personal zur Abfertigung nach Berlin gebracht haben sollen.

Ver.di wirft Ryanair und dem Flughafenbetreiber vor, das ausländische Personal ohne ausreichende Sicherheitsüberprüfung mit eilig ausgestellten Tagesausweisen in Schönefeld beschäftigt zu haben. Die Gewerkschaft sieht durch dieses Verhalten von Ryanair die Sicherheit der Passagiere bedroht. »Wir haben den Einsatz von Fremdarbeitskräften deswegen beim Luftfahrtbundesamt angezeigt«, erklärte Andreas Splanemann, Sprecher des ver.di-Landesverbands Berlin-Brandenburg, dem »nd«.

Ryanair wies die Vorwürfe einer mangelhaften Sicherheitsüberprüfung zurück. »Diese Behauptungen der Gewerkschaft sind falsch«, erklärte Ryanair-Sprecher Kenny Jacobs auf nd-Anfrage. Um weitere Beeinträchtigungen des Flugverkehrs für die Kunden zu verhindern, habe Ryanair voll ausgebildete und befugte Mitarbeiter eingesetzt, um seine Flugzeuge planmäßig abzufertigen, so Jacobs. Am Montag waren 76 Flüge der Airline ausgefallen. Die Flughafengesellschaft sieht ebenfalls keine Verletzung der Sicherheitsregularien. »Die Flughafen Berlin-Brandenburg GmbH hat acht Mitarbeitern von Ryanair eine Zutrittsgenehmigung zum Luftsicherheitsbereich des Flughafens Schönefeld ausgestellt. Im Rahmen ihrer Tätigkeit sind diese einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden«, sagte Flughafen-Sprecher Daniel Tolksdorf. Das sei ein ganz gewöhnlicher Vorgang, stehe es einer Airline doch grundsätzlich frei, eine Selbstabfertigung vorzunehmen. Ryanair-Sprecher Jacobs warf ver.di seinerseits vor, Berlin mit den Streikaktionen als Geisel zu nehmen. »Es ist eine Schande, dass die Reisepläne von Berliner Passagieren von einer geringen Anzahl des Bodenpersonals beeinträchtigt werden«, so Jacobs. Er appellierte gar an die Bundesregierung, sie möge eingreifen.

Ver.di fordert in dem laufenden Tarifkonflikt einen Euro mehr pro Stunde für das Bodenpersonal. Die Arbeitgeber hatten eine schrittweise Erhöhung des Stundenlohns um acht Prozent in drei Jahren angeboten. Das wären 2,26 Prozent pro Jahr.

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