Wer auf die CIA setzt, liegt falsch

Alexander Isele über die Veröffentlichungen von WikiLeaks und den Streit zwischen den Geheimdiensten und Donald Trump

  • Alexander Isele
  • Lesedauer: 4 Min.

Wer mit einem Finger auf andere zeigt, zeigt mit den restlichen immer auch auf sich selbst. Die Veröffentlichung zur Ausweitung der Spionagefähigkeiten des amerikanischen Auslandsgeheimdienstes »Central Intelligence Agency« (CIA) sagt viel über WikiLeaks und ihren Kopf Julian Assange aus. Der Australier ist ein Narzisst wie Donald Trump, der sich und seine Arbeit überschätzt und zu wichtig nimmt. Die Pressemitteilung von WikiLeaks hat die Möglichkeiten der CIA übertrieben dargestellt - wobei es eigentlich die Aufgabe von JournalistInnen gewesen wäre, die 8761 Dokumente zu sichten, bevor darüber berichtet wird.

Der vielfache Vorwurf, die Enthüllungen von WikiLeaks und Assange wären verwerflich, weil sie damit die Präsidentschaft Trumps stützen würden, geht aber zu weit. Die Geheimdienste in den USA und der neue Präsident stecken in einem Machtkampf, bei dem Trump empfindliche Niederlagen einstecken musste. Dass die Enthüllungen zur CIA nun Trumps Position stärken, bedeutet im Umkehrschluss, dass die Geheimdienste geschwächt werden. Dabei gilt: Wer sich im Machtkampf zwischen den Geheimdiensten und Trump über einen Sieg der Geheimdienste freut, liegt falsch. Schadenfreude über die Enthüllungen über den Präsidenten durch die Geheimdienste, wie bei vielen Demokraten und Linken, ist nicht angebracht.

Wenn ein weiser Mensch auf den Mond zeigt, betrachten nur Ignoranten den Finger. Seit 70 Jahren plant und exerziert die CIA den Umsturz von unliebsamen Regierungen (Iran 1953), interveniert in Wahlen, bewaffnet Terroristen, entführt, tötet, foltert, verbreitet Lügen, um Kriege zu rechtfertigen (Irak-Kriege zwei und drei), besticht ausländische Politiker (Hamid Karzai berichtet, wie die CIA jeden Monat taschenweise US-Dollar in seinem Präsidentenbüro ablieferte), unternimmt Nacht-und-Nebel-Aktionen bis hin zu offener Kriegsführung, auch mit Drohnen und unter der Inkaufnahme des Todes unzähliger Zivilisten. Immer wieder torpedieren die militärischen Interventionen der CIA dabei die Absichten von US-Politikern.

Im Kern des Machtkampfs zwischen Nachrichtendiensten und dem Präsidenten geht es um die Russlandpolitik der USA, wobei die Geheimdienste einen anderen Kurs verfolgen als Trump. Vermutlich von der CIA gestreute Dokumente sorgten dafür, dass Trumps nationaler Sicherheitsberater Michael Flynn nach nur 22 Tagen im Amt zurücktreten musste. Flynn hatte entgegen seiner Aussagen Ende Dezember 2016 in einem offenbar durch die CIA erfassten Telefonat mit dem russischen Botschafter Sergei Iwanowitsch Kisljak über die neuen Russland-Sanktionen des damaligen Präsidenten Obama gesprochen.

Auf CNN sagte der frühere CIA-Agent Evan McMullin, dass »Donald Trump eine Bedrohung für das Land« darstelle. CIA-Agenten würden Dokumente leaken, damit die Agenten ihrem Eid Rechnung tragen, die Sicherheit des Landes zu schützen, die Trump in ihren Augen gefährde. Auf Twitter schrieb McMullin, dass mit Trump »der größte Feind der USA« - Russland - den Posten des Präsidenten erobert habe. Auch der frühere NSA-Spitzenmann John Schindler warf Trump auf Twitter Hochverrat vor und sagt ihm voraus, im Gefängnis zu sterben.

Der Fall Flynn sagt mehr über die Geheimdienste aus als über die Absichten der Trump-Regierung. Die Behörden zeigen sich gewillt, eine ihr unliebsame - eigene - Regierung zu sabotieren und zu stürzen. Der scheidende Präsident Obama hat die Untersuchungen zu den Kontakten zwischen Trump und Moskau eingeleitet. Das Federal Bureau of Investigation (FBI), die amerikanische Bundespolizei, untersucht die Verbindungen, am Ende steht entweder die Amtsenthebung von Trump aufgrund von Hochverrat - oder ein weichgekochter Präsident, der sich den Vorstellungen des militärisch-industriellen Komplexes unterwirft. Die Ernennung des Falken Herbert Reymond McMaster als Nachfolger von Flynn, die unnötige Aufblähung des Rüstungsbudgets um 54 Milliarden US-Dollar, Trumps plötzliche Forderung an Russland, die Krim an die Ukraine zurückzugeben, die Hysterie über Iran lassen von der zweiten Variante ausgehen.

Dass WikiLeaks nun die Geheimdienste schädigt, ist ein Segen. Dass Trump dabei gestützt wird, ein notwendiges Übel. Denn welcher Präsident oder welche Präsidentin nach Trump würde etwas gegen den Willen der Geheimdienste unternehmen, wenn das bedeutet, dass dies die eigene Präsidentschaft torpediert?

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