Mit Grubenwasser in den Landtag
Auch an der Saar haben Umweltthemen wenig Konjunktur
Die Erfahrung, dass Öko-Themen derzeit keine Konjunktur haben, müssen die in Umfragen abgestürzten Grünen nicht nur im Bund machen. Ihre Kollegen im weit von Berlin entfernten Saarland haben seit langem damit zu ringen.
Sie kämpfen derzeit mit dem Thema »Grubenwasserhaltung« um den Wiedereinzug in den Saarbrücker Landtag am 26. März. Eines ihrer zentralen Plakatmotive zeigt ein Glas voller brauner Flüssigkeit auf weißem Grund und den Schriftzug: »Die schmutzige Wahrheit«. Die »Grubenwasserkola« soll die Aufmerksamkeit der Wähler auf sich ziehen.
Ansonsten spielt das Thema im Wahlkampf so gut wie keine Rolle. Alle anderen Parteien kochen es auf Sparflamme. In den Wahlprogrammen der regierenden CDU und SPD kommt die Zukunftsfrage gar nicht vor und DIE LINKE um Oskar Lafontaine widmet der Grubenwasserhaltung gerade mal einen Absatz auf 34 Seiten.
Ein 2015 von den Grünen initiierter Landtagsuntersuchungsausschuss ist jetzt zu Ende gegangen - im Streit und ohne Abschlussbericht. Regierungsfraktionen und grüne Opposition geben sich gegenseitig die Schuld.
Vor zwei, drei Jahren war das anders. Damals waren neue Pläne des Bergbaubetreibers RAG öffentlich geworden, die Gruben bis 2035 schrittweise volllaufen zu lassen und das Wasser in die Saar abzuleiten. Bis zum Ende des Bergbaus war die Landesregierung davon ausgegangen, dass bis in alle Ewigkeit gepumpt werden muss. Die RAG hält das seit geraumer Zeit geologisch nur noch im Ruhrpott, der sonst absaufen würde, für nötig; nicht aber an der Saar sowie im westfälischen Ibbenbüren. Dadurch würde die RAG-Stiftung, die ab 2019 nach Ende des Bergbaus auch in NRW für die Ewigkeitslasten zuständig ist, Geld sparen - an der Saar rund 17 bis 20 Millionen Euro pro Jahr.
Das hat die Sorgen und Ängste der Menschen wachgerufen. Neben Erderschütterungen, Senkungen und Hebungen könnte vor allem das Trinkwasser von fast zwei Drittel der derzeit knapp eine Million Saarländer verseucht werden - künftigen Generationen also die Lebensgrundlage entzogen werden.
Das Oberflächenwasser, das durch tausende Meter Gestein gesickert ist, enthält besonders viel Salz. Zudem ist wissenschaftlich umstritten, wie viele der in der Tiefe lagernden Giftstoffe wie PCB und Asbest an die Oberfläche geschwemmt und ins Trinkwasser gelangen könnten.
Nach einer Forsa-Umfrage von Anfang März lehnen 68 Prozent der Saarländer eine komplette Flutung der Gruben ab, nur 17 Prozent befürworten das. RAG und Landesregierung versichern, Mensch und Umwelt hätten Vorrang. Auf der RAG-Internetseite heißt es: »Schutzziele haben Vorrang vor Kosten.«
Die Umweltschützer glauben dem Konzern nicht und warnen vor den ungeklärten Risiken. Sie reklamieren für sich, dass das Thema überhaupt in die öffentliche Diskussion gekommen sei, das Umweltministerium jetzt wenigstens ein hydrologisches Gutachten in Auftrag gegeben habe.
CDU und SPD werfen den Ökos »unverantwortliche Panikmache« aus parteipolitischem Kalkül vor. Das Wirtschaftsministerium verweist darauf, die Bergbaubehörden prüften derzeit erstmal einen RAG-Antrag, das Wasser in »Phase I« auf 320 Meter unter Normal Null ansteigen zu lassen. Wann mit einer Entscheidung der Genehmigung zu rechnen ist, ist noch nicht absehbar. Erst dann will die RAG an die Planung für »Phase II«, die komplette Flutung, gehen.
Bei Gerichten sind zudem noch Klagen betroffener Gemeinden anhängig, ob der derzeit laufende Anstieg auf minus 400 Meter ohne ihre Beteiligung und eine Umweltverträglichkeitsprüfung hätte genehmigt werden dürfen.
Für die Grünen ist das alles eine »Salamitaktik«. Ob das Existenzthema für parteipolitische Zwecke taugt? Auf jeden Fall wird die Sorge ums Trinkwasser noch lange die Saarländer beschäftigen.
Die Grünen wollen nach den Worten ihres Landeschefs Hubert Ulrich auf in der nächsten Legislaturperiode einen neuen U-Ausschuss beantragen - so sie es am 26. März denn über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen.
Hitziger debattiert wird an der Saar derzeit ein anderes Umweltthema: der Bau von Windrädern. Im Endspurt vor der Wahl ist auch die CDU ein Stück von ihrem Klimaziel abgerückt. Im laufenden Koalitionsvertrag mit der SPD wurde vereinbart, dass bis 2020 insgesamt 20 Prozent des regionalen Stromverbrauchs aus erneuerbaren Quellen kommen soll. Jetzt sagte Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) der »Saarbrücker Zeitung«, eventuell müsse man »sehr genau abwägen, ob jedes Prozent, um das es jetzt noch geht, rechtfertigt, was an Wald, was an Natur zerstört wird«.
Der saarländische Umweltminister Reinhold Jost (SPD) hält indes an der Praxis zum Ausbau der Windenergie fest - im Gegensatz zu den LINKEN. Die könnten bei der Wahl zu einem möglichen Koalitionspartner für die Sozialdemokraten werden. Und Fraktionschef Oskar Lafontaine wettert schon lange gegen die »Fledermaus-Schredderanlagen«.
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