Erdogan braucht die Konfrontation

HDP-Abgeordneter rät der Bundesregierung, im Streit mit Ankara ruhig zu bleiben

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Streit um die geplanten Wahlkampfauftritte türkischer Politiker hält sich Angela Merkel bislang bedeckt. »Die Bundeskanzlerin hat nicht die Absicht, sich am Wettlauf der Provokationen zu beteiligen«, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert und wies damit auch Forderungen nach einem Auftrittsverbot für Politiker der türkischen Regierungspartei AKP zurück. Die Zurückhaltung der Kanzlerin speist sich vor allem aus der Angst, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan könnte den Flüchtlingspakt aufkündigen. Trotzdem könnte Merkels Appeasement genau die richtige Strategie sein.

»Denn Erdogan ist nervös«, sagte Mithat Sancar, Parlamentsabgeordneter der linken HDP, am Donnerstag bei einem Besuch in Berlin. Derzeit gebe es offenbar keine Mehrheit für Erdogans Referendum, das die Türkei in ein Präsidialsystem umwandeln soll. »Wenn er vorne liegen würde, hätte er die Konfrontationspolitik nicht gebraucht«, so Sancar. Die jüngste Eskalation im Streit um die Auftritte türkischer Politiker spiele Erdogan in die Hände. So werde über den Inhalt des fragwürdigen Verfassungsreferendums nicht mehr diskutiert. Stattdessen biete die Konfrontation dem Präsidenten die Möglichkeit, die nationalistische Karte zu spielen. In der Türkei und unter den Deutschtürken werde die Frage diskutiert: »Ist unsere Ehre jetzt verletzt?« Viele fühlten sich erniedrigt »als Türken und auch als Muslime«.

Eigentlich sind die Auftritte illegal: Sancar verwies auf das türkische Wahlgesetz, das Wahlkundgebungen im Ausland streng verbiete. Das gelte auch für Auslandsvertretungen der Türkei, die nicht für solche Veranstaltungen genutzt werden dürften. In der vergangenen Woche machte Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu Schlagzeilen, weil er in der Hamburger Residenz des türkischen Generalskonsuls eine Rede für das Referendum gehalten hatte. Während türkische Regierungsvertreter durch ganz Europa reisen, macht man es den Gegnern des Referendums schwer, Versammlungen abzuhalten. Just an diesem Donnerstag seien in Ankara mehrere HDP-Mitglieder festgenommen worden, die dort für ein »Nein« werben wollten, so Sancar. »Für uns ist Erdogan auch nicht anders als Wilders, als Marine Le Pen in Frankreich und hier als die AfD, die teilen die gleichen Werte«, sagte Sancar.

Von Hause aus Professor für öffentliches Recht warnte der Abgeordnete vor einem Erfolg des Referendums, das am 16. April stattfinden soll. Was Erdogan vorschwebe sei kein Präsidialsystem westlicher Prägung. Der AKP-Gründer wolle vielmehr eine »moderne Diktatur«. Schon jetzt sei die Justiz nicht mehr unabhängig. Zudem gelte nach wie vor der Ausnahmezustand. Nicht von Richtern und Staatsanwälten würden die Entscheidungen getroffen, »sondern von ganz oben«. Politiker der pro-kurdischen HDP würden dabei immer wieder Opfer der Willkür. Mittlerweile säßen neben den beiden Parteivorsitzenden auch 13 Parlamentsabgeordnete und 1500 Funktionäre im Gefängnis. »Erdogan will, dass wir Angst haben«, so Sancar, der zudem betonte, dass die HDP keine rein kurdische Partei sei. Er selbst stamme aus der südostanatolischen Stadt Nusaybin und gehöre der arabischen Minderheit an, so Sancar. Bei der HDP seien fast alle Völker und Glaubensgemeinschaften vertreten, so Sancar. Die türkische Regierung wirft der HDP vor, Anhängsel der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK zu sein.

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