155 Euro für wildes Plakatieren gefordert
Initiative gegen Fluglärm fordert Vermeidung von Kurzstreckenflügen
Weil sie vor geraumer Zeit die Vorlage eines A1-Plakats zum Herunterladen in das Internet gestellt hatte, soll die Initiative gegen Fluglärm Mainz e. V. jetzt eine Gebühr von 155 Euro an die Stadtverwaltung der Bankenmetropole Frankfurt entrichten. Die Stadt reagiert damit auf »wildes Plakatieren« an einer großen Ausfallstraße aus der City in Richtung Flughafen. Die von Unbekannten offenbar ohne amtliche Genehmigung angebrachten vier Plakate tragen unübersehbar die fett gedruckte Aufschrift »10 Minuten beträgt der Zeitunterschied zwischen Flug- und Bahnreise von Frankfurt nach Brüssel! Vermeiden Sie Kurzstreckenflüge! Reisen Sie umweltbewusst!«
Die Initiative habe keinen Antrag auf Sondernutzungserlaubnis gestellt und müsse daher eine Verwaltungsgebühr von 95 Euro sowie 15 Euro pro wild angebrachtem Plakat bezahlen, argumentieren die strengen Juristen im Römer, dem historischen Frankfurter Rathaus. Die Initiative weigert sich und argumentiert, sie habe die Plakate nicht angebracht und auch niemanden dazu animiert. Diese Begründung wiederum will die Stadtverwaltung nicht hinnehmen und verweist darauf, dass der Verein das Plakat als Vorlage im pdf-Format gezielt auf seine Website eingestellt habe und mit dieser Bereitstellung darauf abgezielt habe, dass irgendjemand die Plakate ausdrucke und illegalerweise anbringe. Dies wiederum weisen die Mainzer von sich. Aus ihrer Sicht dienten die pfd-Dateien als Vorlagen für Plakate und Pappschilder, mit denen Fluglärmgegner bei ihren regelmäßigen Montagsdemos im Terminal des nahen Rhein-Main-Grußflughafens aufträten. Im übrigen könne fast jedermann eine derartige Plakatvorlage in wenigen Minuten am eigenen Computer herstellen, so der Verein.
Weil die Fronten verhärtet sind, scheint jetzt ein Rechtsstreit um die geforderten 155 Euro unvermeidlich. Unabhängig von dessen Ausgang rückt nun aufgrund der damit verbundenen Publizität ein Sachverhalt erneut in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, auf den Fluglärmgegner seit Jahr und Tag hinweisen. So ist abgesehen von der Umweltschädlichkeit des faktisch subventionierten Flugverkehrs mindestens ein Fünftel der Starts und Landungen schon allein deshalb völlig »überflüssig«, weil die Destinationen im Kurz- und Mittelstreckenbereich unterm Strich gleich schnell von Frankfurt aus auch mit schnellen Zügen erreichbar sind. Dies gilt für alle inländischen Flughäfen sowie Ziele in Nachbarländern wie Brüssel, Paris, Amsterdam, Salzburg, Zürich oder Basel.
So dauert inzwischen eine Bahnreise vom Frankfurter Hauptbahnhof direkt in die Brüsseler City weniger als drei Stunden und ist ohne die im Luftverkehr üblichen Sicherheitskontrollen und das Eincheckprozedere in aller Regel weitaus geruhsamer als eine Flugreise. In weniger als vier Stunden gelangen Bahnreisende heute von Frankfurt nach Paris oder Amsterdam und in sechs Stunden nach Lyon. »2012 fanden 66 872 Passagierflüge ab Frankfurt am Main von und zu Zielen statt, die mit der Bahn ab Frankfurt Hauptbahnhof in höchstens vier Stunden erreichbar sind. 2013 waren es 66 268 Passagierflüge«, so die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion im Deutschen Bundestag. 2012 habe es rund 128 000 und 2013 rund 126 000 Passagierflüge von und zu Destinationen gegeben, die Reisende in Hochgeschwindigkeitszügen in höchstens sechs Stunden erreichen könnten, so die Antwort weiter. Lärmgeplagte Anwohnerinitiativen gehen davon aus, dass ihr Alltag bei einer Einstellung dieser Flüge weitaus ruhiger verlaufen könnte. Der teilprivatisierte Flughafenbetreiber Fraport setzt allerdings verbissen auf weiteres Wachstum und will dies jetzt durch Anlocken von Billigfliegern erreichen. Dass ein Umstieg von Passagieren im Kurz- und Mittelstreckenbereich auf die Bahn weitgehend problemlos möglich ist, zeigen auch Erfahrungen bei zurückliegenden massiven Streiks am Frankfurter Rhein-Main-Flughafen.
»Spanien macht es vor«, erklären die Fluglärmgegner und verweisen darauf, dass die politischen Entscheidungsträger auf der iberischen Halbinsel längst im Inlandsverkehr ein Umsteigen vom Flugzeug auf die Bahn eingeleitet hätten. So hat nach spanischen Medienberichten das Madrider Ministerium für Infrastruktur seit 2013 das Preissystem des Hochgeschwindigkeitszuges AVE reformiert und mit einer deutlichen Senkung der Fahrpreise den schnellen Zügen ein starkes Fahrgastplus von knapp 24 Prozent beschert, während der innerspanische Flugverkehr schrumpfte.
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