Bayerische Politikerin rebelliert von links gegen die Grünen

Warum die Landtagsabgeordnete Claudia Stamm eine neue Partei gründen will

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit Rebellion kennt sich Claudia Stamm aus. Sie ist in einem katholischen Haushalt in Bayern aufgewachsen. Das allein wäre schon Grund genug, es anders als die Eltern zu machen, gegen diese aufzubegehren. Doch in ihrem Fall kommt noch eine weitere Besonderheit hinzu: Ihre Mutter ist nicht nur überzeugtes CSU-Mitglied, Barbara Stamm sitzt seit 1976 für die Christsozialen im bayerischen Landtag. Tochter Claudia war da gerade erst sechs Jahre alt. Seit längerer Zeit begegnen sich beide im Parlament als politische Konkurrentinnen. Während Barbara Stamm seit 2008 dem Landtag als Präsidentin vorsteht und eine der beliebtesten CSU-Poltikerinnen im Freistaat ist, heizt Claudia Stamm den Christsozialen von der Oppositionsbank aus ein. Seit 2009 sitzt sie für die Grünen im Parlament. Damit war sie durchaus eine politische Senkrechtstarterin, denn der Ökoapartei war sie erst zwei Jahre zuvor beigetreten.

Doch damit ist jetzt Schluss. Denn am Mittwoch begann Stamms zweite Rebellion. Wie die 46-Jährige bekanntgab, verlässt sie die bayerischen Grünen und will nun eine eigene Partei gründen. »Der Schritt fällt mir nicht leicht, und es ist kein Schritt, der leicht sein wird. Ich weiß, aber es muss sein«, so die Politikerin.

Ihre Entscheidung begründet sie in einer Erklärung auf ihrer Website. Dabei handelt es sich nicht nur um eine Abrechnung mit der politischen Landschaft Bayerns, sondern auch und insbesondere mit den Grünen. Stamm sagt, die im Bund und in Bayern parlamentarisch vertretenen Parteien hätten »im Angesicht eines grassierenden – zum Teil von ihnen selbst mit befeuerten – Rechtspopulismus Position um Position geräumt«. Positionen, die es aus ihrer Sicht zu wahren gelte: die »unbedingte Wahrung der Menschenwürde, die Parteinahme für die am schlechtesten Gestellten, den konsequenten Einsatz für den Schutz von Natur und Umwelt.«

Bei den Grünen sei sie zuletzt an ihre Grenzen gestoßen: »Es ist kein Geheimnis, dass ich in den letzten Jahren oft nicht mit dem Kurs oder der Positionierung der Landes-, Bundesländer- oder Bundesgrünen übereingestimmt habe«, erklärt Stamm. Sie habe daher versucht, diesen Kurs »durch Anträge, öffentliche Diskussionsbeiträge oder in Gesprächen zu korrigieren«. Sie habe lange mit sich gerungen, doch ihr fehlte oftmals eine klare Positionierung der Grünen. »Ein Kurs, der so schwammig ist - mit dem kann ich nicht mitgehen.«

»Ich will keine Spaltung der Grünen«, betont Stamm, die unbedingt weiter Politik machen will. Deshalb wolle sie »eine neue Partei für Bayern gründen«, die klar für »ihre Positionen, ihre Werte« einstehe. Zwar gibt es noch keinen Namen, doch die Vorbereitungen laufen derzeit unter dem Motto »Zeit zu handeln« auf Hochtouren. Klar ist: Das Projekt dürfte sich programmatisch links von den Grünen positionieren.

Erste prominente Mitstreiter konnte Stamm bereits überzeugen. Dazu gehört mit Nikolaus Hoenning ein weiterer in Bayern nicht unbekannter Ex-Grüner: Von 2009 bis 2011 war er deren Vorsitzender in München, zuletzt engagierte er sich vor allem in der Flüchtlingshilfe. Ebenfalls mit an Bord sind Stephan Lessenich, Direktor des Instituts für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, sowie die Flüchtlingshelferin Sabine Richly und Werner Gaßner, der sich zuletzt bei den Grünen um Queerpolitik kümmerte. Er und Lessenich haben übrigens wie Stamm am Mittwoch die Partei verlassen.

Innerhalb der Grünen sah sich Stamm zuletzt immer stärker isoliert: Während sie im politischen Alltag gut mit Kritik und Streit umgehen konnte, musste sie etwa auf der innerfraktionellen Karriereleiter Rückschläge hinnehmen. So blieb es ihr - anders als jüngst der erst 31-jährigen Katharina Schulze - verwehrt, den Fraktionsvorsitz zu übernehmen.

Nicht wenige in der Partei vermuten hinter der Wahl Schulzes einen Grund für Stamms Entscheidung. »Das hat nichts damit zu tun, es passt einfach inhaltlich nicht mehr«, sagt die 46-Jährige und verweist als Beispiel auf Unstimmigkeiten in der Asylpolitik. Wie passe es zusammen, dass in Bayern die Grünen gegen Sammelabschiebungen nach Afghanistan protestieren, aber die von den Grünen mitgetragene Landesregierung in Baden-Württemberg Menschen in den Flieger setze?

Ihre bisherigen Weggefährten äußern sich unterschiedlich zu ihrem Austritt: »Claudia Stamm wird den Grünen fehlen«, sagte SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. Da er nicht glaube, dass es einfach sein werde, eine neue politische Kraft zu etablieren, drohe der Landespolitik der dauerhafte Verlust einer selbstbewussten umweltpolitischen Stimme. Deutlich kritischer äußerte sich Co-Fraktionschefin Schulze: »Bei der Landtagswahl haben die Wähler 18 Grüne-Abgeordnete gewählt. Wir halten es für geboten, dass sie ihren Sitz zurückgibt.« Generell bedauere die Fraktion die Entscheidung, gleichzeitig respektiere sie den Schritt aber natürlich. Mit Agenturen

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