Gute Chancen für Rot-Rot im Saarland

Wenn die Voraussagen stimmen, sind die Tage von Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer gezählt

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 4 Min.

Bisher schien es Konsens auch zwischen den Spitzenkandidatinnen der beiden größten Parteien im Saarland, dass diese Wahl ein besonderer Fall sei und als Orakel zur Bundestagswahl im Herbst hoffnungslos überfrachtet. Doch auf den letzten Metern gilt das nicht mehr. Die »bundespolitische Bedeutung« der Wahl ist in aller Munde. Ministerpräsidentin Annette Kramp-Karrenbauer von der CDU räumt inzwischen ein, dass der »Schulz-Effekt« auch ihr Bundesland erreicht hat, und Vizeregierungschefin Anke Rehlinger, Spitzenkandidatin der SPD, verkündet forsch, sie spiele »auf Sieg«. Die letzte Umfrage liefert hierfür neue Nahrung und taxiert die Sozialdemokraten nur noch zwei Punkte hinter der CDU, die bei 35 Prozent liegt.

Martin Schulz schaut an diesem Samstag noch einmal persönlich vorbei, um Rehlinger zu unterstützen und den Aufwind der Partei mit heißem Atem anzufachen. Seit der SPD-Vorstand ihn Ende Januar zum Kanzlerkandidaten bei der Bundestagswahl im Herbst ausrief, ist die Partei wie in einem Freudentaumel, und die Umfragen kommen kaum nach, dieser Stimmung zu folgen. Im Saarland lag die SPD noch im Januar bei 24 Prozent, nun ist sie um beinahe zehn Punkte nach oben geschnellt. Schulz wird es bei seinem Auftritt im Landtag nicht versäumen, den allgemeinen Bekenntnissen zu mehr sozialer Gerechtigkeit im Land seine persönliche Verbundenheit mit den Saarländern hinzuzufügen - wurde doch sein Vater hier im Land geboren, in der Gemeinde Spiesen-Elversberg nämlich, was aus Martin Schulz beinahe schon einen halben Saarländer macht.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, die am Donnerstag anreiste, um auf dem Schlossplatz in St. Wendel eine Rede zu halten, ist Indiz der bundespolitischen Bedeutung der Wahl, aber auch der persönlichen Verbundenheit mit der CDU-Spitzenkandidatin Kramp-Karrenbauer. Für diese wird es ernst. Schon vor ihrer Rede vertraute Merkel dem Saarländischen Rundfunk an, dass es durchaus um etwas gehe bei der Wahl, auch wenn im kleinsten Flächenland der Bundesrepublik gerade mal 800.000 Wähler an die Urnen gerufen sind.

Worum geht es im Saarland? Um die Frage, was nach Kramp-Karrenbauer kommt. Was vor Wochen nur Formsache schien, steht jetzt plötzlich in Frage - der Wahlsieg der CDU und die Fortsetzung einer CDU-geführten Regierung. Bewahrheiten sich die Umfragen im realen Wahlergebnis, dann rückt eine rot-rote Koalition in greifbare Nähe; eine Variante könnte auch unter Beteiligung der Grünen entstehen. Diese rangierten zuletzt allerdings unterhalb der nötigen fünf Prozent für den Wiedereinzug in den Landtag - bisher sind sie dort mit zwei Abgeordneten vertreten. Die Fortsetzung von Schwarz-Rot ist die ausdrückliche Wunschkonstellation von Kramp-Karrenbauer; es ist auch ihre einzige. Frühzeitig hat sie angekündigt, sich im Falle einer Niederlage aus der Landespolitik zurückzuziehen. Als Oppositionsführerin komme sie nicht in Frage, denn die Oppositionsrolle der CDU verlangte dann einen kompletten Neuanfang.

Anke Rehlinger würde in die Fortsetzung der bisherigen Koalition nur einwilligen, wenn sie es nicht bis auf den Chefsessel schaffte. Und den kann sie am wahrscheinlichsten in einem Bündnis mit der LINKEN erklimmen. Oskar Lafontaine, Spitzenkandidat der Linkspartei, formuliert seit Wochen vorsichtig, im Land scheine es eine Wechselstimmung zu geben. Nicht ganz klar ist, ob er damit die Wähler meint oder vielleicht die SPD. Jahrelang lag deren Bereitschaft zu einer Zusammenarbeit mit der LINKEN bei Null. Zu tief saß der Groll gegen den einstigen Parteivorsitzenden der SPD, der im Streit mit Bundeskanzler Gerhard Schröder erst die Bundesregierung und wegen Hartz IV und Jugoslawienkrieg die SPD verließ und die LINKE mitgründete.

Die Zeiten haben sich geändert. Anke Rehlinger schließt Rot-Rot nicht aus. Doch natürlich ist eine Große Koalition auch unter Führung der SPD möglich. Dies ist eine etwas aus der Mode gekommene Variante, die mit wachsender Stärke der SPD als politische Option zurückkehren könnte. Das mag Lafontaines Zurückhaltung erklären. Denn auch wenn Anke Rehlinger im nd-Interview erklärte, sie leide nicht unter mangelndem Selbstbewusstsein - eine Koalition unter Beteiligung des einstigen SPD-Übervaters, Bundesvorsitzenden, langjährigen Ministerpräsidenten des Saarlandes und Saarbrücker Oberbürgermeisters dürfte eine Herausforderung sein, auch wenn Lafontaine kein Mitglied der Landesregierung würde.

Von einem »Signal des Rückschritts und der Risiken« sprach die Bundeskanzlerin in ihrem Interview. Rot-rote und rot-rot-grüne Experimente müssten vermieden werden. Bundesländer mit solchen Regierungsbündnissen seien »alle zurückgefallen«. Bei der traditionell wertkonservativen Wählerschaft, etwa in den katholischen Arbeiterzentren des einstigen Bergbaulandes, mögen solche Warnungen verfangen, auch wenn sie weit hergeholt sind. Kramp-Karrenbauer mag eher die Vorstellung schmerzen, am Verteilen der Früchte nicht beteiligt zu sein, wenn das Bundesland ab 2020 jene Bundesmilliarden erhält, die sie in harten Verhandlungen herausgeschlagen hat.

Doch Merkel und der CDU insgesamt dürfte ein Verlust des Saarlandes auch aus einem anderem Grund Sorgen bereiten. Nur noch vier Ministerpräsidenten stellte dann die Union in den Bundesländern, im Bundesrat würde der Block schwarz-roter Koalitionen auf 13 der insgesamt 69 Stimmen schmelzen (Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Bayern), die die Politik der Großen Koalition im Bund stützen. Auch deshalb ist an der bundespolitischen Bedeutung der Saar-Wahl am kommenden Sonntag nicht zu zweifeln.

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