Nicht direkt ein »Sohn der Stadt«

Aber Maler Franz Radziwill war dennoch ein Archivar der Bremer Ansichten

  • Alice Bachmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein echtes Aha-Erlebnis bietet die zur Zeit in der Bremer Kunsthalle gezeigte kleine Auswahl von Radziwill-Werken, denn auf einem über 50 Jahre alten Bild ist ein Bauwerk zu sehen, das noch nicht einmal zehn Jahre alt ist.

Der vor 36 Jahren im Alter von 88 Jahren verstorbene Künstler Franz Radziwill ist für Bremen nicht das, was man einen »Sohn der Stadt« nennt. Auch sein Leben mit der Parteimitgliedschaft in der NSDAP seit 1933 verbunden mit Funktionen meist auf unteren Ebenen, ist nicht sonderlich geeignet, stolz auf ihn zu sein. Dennoch hat Radziwill Spuren in Bremen hinterlassen, und die Stadt in seinem Werk. Der Künstler, der in seiner frühen Phase dem Expressionismus nahe stand, passte nie in eine Stil-Schublade und bekam eine eigene Zuordnung mit dem Begriff »Magischer Realismus«; eine Mischung aus realistischer Darstellung und Fantasieeinlagen.

Einige sorgten vor Jahrzehnten in studentischen Arbeitsgruppen, die sich bei einer Kommilitonin im Dachzimmer trafen, für Irritationen und auch Heiterkeit, wenn sie in einer Ecke entdeckt wurden. Die Information, sie tagten schließlich im Radziwill-Haus, sagte den jungen Leuten nichts. Schließlich hatte Radziwill die Stadt seiner Kindheit und Jugend vor langer Zeit verlassen und seinen Lebensmittelpunkt an die Nordsee verlagert. Wo sein Elternhaus stand, war nur noch wenigen bekannt.

Allerdings hinterließ der Künstler mit seinen grell-bunten, zum Teil an naive Malerei erinnernden Bremen-Bildern der Weser-Stadt ein Stück Geschichte. Ein besonderes Stück, denn Radziwill liebte Architektur und Technik, weshalb es ihn oft in den mitten in der Stadt gelegenen Hafen zog um zu malen. Auch nachdem er nicht mehr selbst in Bremen lebte, kehrte er oft zurück und malte.

So gibt es heute noch fast authentische Bilder von Straßenzügen und Stadtteilen, in denen Schiffe oder Flugzeuge gebaut wurden, in denen ein riesiger Wasserturm stand oder ein sehr großer, rot-weißer Gasometer, der damals als modernster seiner Art galt. Das Bild ist von 1960 und heißt »Der bunte Gasometer«, andere Bremen-Ansichten stammen aus den 1920ern oder 1930ern.

Die Aussagekraft der Bilder als geschichtliche Quelle ist aber mit Vorsicht zu genießen, denn die akkuraten Übertragungen von Hafenszenen, Straßen- oder Stadtansichten reicherte Radziwill gerne mit erdachten Details an.

Auch das Bild »Der bunte Gasometer«, das sonst im Bremer Rathaus hängt, zeigt mehr, als damals dort war. So einen schmalen, quaderförmigen Hochhausturm hinter dem Gasspeicher. Letzterer steht längst nicht mehr dort, aber nun gibt es ein Hochhaus, just an der Stelle, an der Radziwill es malte. »Weser Tower« heißt das Bauwerk, das 50 Jahre nach der Entstehung des Radziwill-Bildes fertiggestellt wurde. In seiner Optik ist der »Weser Tower« umstritten, aber er kommt dem Radziwillschen Vorbild sehr nahe.

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