Dem Straussee geht das Wasser aus

Der Pegel sank zuletzt jährlich um 20 Zentimeter. Die Technische Universität Berlin will die Ursache ergründen

  • Jeanette Bederke
  • Lesedauer: 3 Min.

Der als klar und sauber gepriesene Straussee in Märkisch-Oderland ist nicht ganz dicht. Das befürchtet zumindest Fred Thaleiser, Betreiber des hiesigen Freibades. »In den vergangenen drei Jahren ist der Wasserspiegel jeweils um 20 Zentimeter abgesunken«, sagt er und weist auf seine Steganlage, deren Pfeiler weit in die Luft ragen. Den Sprungturm hatte er in der vergangenen Saison nicht öffnen dürfen. Das Wasser darunter ist einfach zu flach. Es besteht Verletzungsgefahr. Gleiches gilt für die Rutsche. »Zu uns kamen viele Jugendliche. Jetzt sind die Attraktionen weg«, klagt der Freibadbetreiber. Schwimmen könne man schließlich auch an einer der vielen wilden Badestellen am großen See. Als Thaleiser vor zwölf Jahren das Freibad pachtete, hatte er noch rund 20 000 Gäste im Jahr. 2016 waren es nicht einmal mehr die Hälfte. Jetzt befürchtet er, dass auch noch Familien mit kleinen Kindern wegbleiben.

Wo inzwischen ein breiter Sandstrand ist, war früher der Flachwasserbereich. »Immer weiter in den See hinein verlagern kann ich das Nichtschwimmerareal nicht, weil es irgendwann steil in die Tiefe geht«, sagte Thaleiser. Der Pegel an der Fähre über den Straussee zeigt normalerweise durchschnittlich 1,30 Meter an. Jetzt steht er bei 85 Zentimetern. Wohin das Wasser verschwindet und wer oder was daran schuld sein könnte, darüber rätseln viele Strausberger. Die Theorien reichen von einem geheimnisvollen doppelten Boden über Löcher, verursacht durch Munitionssprengungen in dem fast vier Kilometer langen See im Jahr 2006, bis zum Golfpark Wilkendorf, der zum Rasensprengen zu viel Grundwasser verbrauche. Weitere Spekulationen gelten dem 2014 in Betrieb genommenen Wasserwerk Spitzmühle, das dem See angeblich Grundwasser entziehen soll.

»An diesen Spekulationen will ich mich nicht beteiligen«, sagt Thaleiser. Auch der oft bemühte Verweis auf die seit Jahren geringer werdenden Niederschläge erscheint ihm als zu einfach. »Da muss mehr dahinterstecken.« Die Strausberger Stadtverwaltung werde dem Wasserschwund jetzt auf den Grund gehen, bekräftigt Birgit Bärmann, Fachbereichsleiterin Technische Dienste. Mit der Technischen Universität (TU) Berlin sei ein Partner gefunden, der ein einjähriges Forschungsprojekt zum Straussee durchführen wird. Rund 200 000 Euro Fördermittel habe die Stadt beim Land Brandenburg dafür beantragt. Noch sei das Geld nicht bewilligt, doch Bärmann bleibt zuversichtlich. Sie hält den Klimawandel mit höheren Temperaturen und geringeren Niederschlägen für ausschlaggebend. »Gerade im vergangenen Sommer ist der Straussee regelrecht verdunstet. Auffüllen konnte er nichts, weil er keine natürlichen Zuläufe hat.«

Ob tatsächlich nur der Klimawandel Schuld ist, das gelte es nun zu untersuchen, sagt Reinhard Hinkelmann, Professor für Wasserwirtschaft und Hydrosystemmodellierung an der TU Berlin. Gemeinsam mit Hydrogeologen will er Klimadaten recherchieren, Feldmessungen durchführen und den Wasserkreislauf im Umfeld des Straussees analysieren, um geeignete Gegenmaßnahmen zu finden. Beispielsweise sei es nicht förderlich, dass das Abwasser der 25 000 Einwohner zählenden Stadt nach Berlin gebracht, dort geklärt und in die Spree geleitetet wird. Es fehle damit dem lokalen Wasserhaushalt. »Ein regionales Klärwerk in Strausberg wäre zu bedenken«, meint Hinkelmann. Ihm zufolge steigt in Berlin der Grundwasserspiegel und man überlege, wie man das überschüssige Wasser loswerden könne. Möglicherweise ließe sich der Straussee so wieder auffüllen.

»Das müssten dann aber Unmengen sein, um den Pegel spürbar steigen zu lassen. Immerhin verfügt der See über 1,4 Millionen Kubikmeter Wasser«, sagt Fachbereichsleiterin Bärmann. Nach ihren Informationen sind von dem Phänomen sinkender Wasserstände auch andere Gewässer in der Gegend betroffen, beispielsweise der Krumme See in Fredersdorf oder auch der Seddiner See im Landkreis Potsdam-Mittelmark.

Brandenburg ist laut Hinkelmann ein Extremfall in Deutschland. »Wir haben hier im Bundesvergleich die wenigsten Niederschlagsmengen. Klimamodelle sagen einen weiteren Rückgang in den nächsten Jahrzehnten voraus«, sagt der Wissenschaftler. Der Straussee ist nach seinem Kenntnisstand allerdings aktuell am stärksten betroffen. dpa

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.