Serbiens Sieger gesetzt

Regierungschef Vucic greift nach dem Präsidentenamt

  • Thomas Brey, Belgrad
  • Lesedauer: 2 Min.

Belgrad. Mit der Präsidentenwahl am 2. April greift Regierungschef Aleksandar Vucic in Serbien nach den politischen Sternen. Schon jetzt ist er der alles bestimmende Politiker in diesem Balkanland. Er führt mit der Fortschrittspartei SNS die mit Abstand wichtigste Regierungskraft, kann im Parlament auf eine Zweidrittelmehrheit bauen, koordiniert die Geheimdienste und behandelt seine Minister nicht selten selbst in aller Öffentlichkeit wie Schulkinder. Auch alle wichtigen Medien sind entweder im Regierungsbesitz oder ihrem Vormann Vucic mehr als zu Diensten.

Doch Vucic will gerade mal sieben Monate nach seinem neuen Antritt als Regierungschef in den vor allem repräsentativen Sessel des Staatsoberhauptes wechseln. Freund und Feind sind sich sicher, dass der 47-Jährige, der schon fast ein Vierteljahrhundert politisch mitmischt, die Wahl klar gewinnen wird. Er liegt wenige Tage vor dem Urnengang deutlich in Führung. In einer aktuellen Umfrage der Agentur Demostat kommt Vucic auf 56,2 Prozent und könnte damit schon in erster Runde ohne Stichwahl zum Präsidenten gekürt werden. Keiner der Oppositionspolitiker kommt demnach auch nur auf eine Zustimmung im zweistelligen Bereich.

Einigkeit besteht darüber, dass der neue Präsident einen ihm absoluten ergebenen Gefolgsmann als Quasi-Regierungschef einsetzen wird. Dieses Modell, bei dem die tatsächliche politische Macht trotz aller Verfassungsvorschriften ins Amt des Staatspräsidenten wandert, hatte schon Vucics Vorvorgänger Boris Tadic vorexerziert.

Seit fünf Jahren ist Vucic das Maß aller Dinge. Er beherrscht die Innenpolitik nach Belieben. Die Opposition hat er auf ein Zwergenmaß gestutzt. Sie ist zudem heillos zerstritten und tritt mit nicht weniger als zehn Kandidaten an. Der wichtigste von ihnen ist Vojislav Seselj, ausgewiesener Nationalist und politischer Ziehvater von Vucic.

Vucics Anhänger und Minister loben, dass in Zukunft alle politische Macht noch mehr als schon bisher aus einer Hand kommt. Das von wirtschaftlicher und sozialer Misere gebeutelte kleine Land benötige eine starke Hand, um es zu Reformen und Modernisierung zu zwingen. Seine oppositionellen Kritiker sprechen von Autokratie und sogar von Diktatur, weil Vucic mit seiner persönlichen Macht alle staatlichen Institutionen aushebele. So ließ dieser sogar das Parlament in Zwangsurlaub schicken, um der Opposition keine Plattform zu bieten. dpa

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.