Die Wunden liegen offen

Die Beiträge zum 8. Arabischen Filmfestival sind geprägt von der Suche nach Spiritualität, aber auch nach Selbstbestimmung und Freiheit

  • Kira Taszman
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer bin ich, wo komme ich her? Fragen nach der eigenen Identität stellt man sich besonders intensiv, wenn man seine persönlichen Ursprünge nicht kennt. So ergeht es auch dem jungen blinden Protagonisten Rabih in dem libanesischen Spielfilm »Tramontane«. Eigentlich wollte der 24-jährige Musiker nur einen Pass beantragen, um mit seiner Band nach Europa zu reisen. Doch dann erweist sich, dass der Personalausweis von Rabih (Barakat Jabbour) gefälscht ist, dass seine Geburtsurkunde nicht existiert und die Frau, die er für seine Mutter hielt, ihn adoptiert hat.

Um (arabische) Identitäten, traditionelle und moderne Lebensweisen, um die Suche nach Spiritualität, aber auch nach Selbstbestimmung und Freiheit geht es in den Filmen des mittlerweile 8. Arabischen Filmfestivals (Alfilm). Dutzende lange oder kurze Spiel- und Dokumentarfilme aus Ländern wie dem Libanon, Algerien, Marokko, Tunesien oder Ägypten zeigt das Festival. Zuweilen sind es auch Koproduktionen mit europäischen oder amerikanischen Ländern, und einige Protagonisten haben Wurzeln in nichtarabischen Ländern geschlagen.

Bis ans Ende der Welt muss Rabih in »Tramontane« nicht reisen, eine Odyssee durch den Libanon wird die Suche nach seinen Ursprüngen dennoch. Über zwei Jahrzehnte nach dessen Beendigung sind die Wunden des libanesischen Bürgerkriegs noch nicht verheilt, spaltet er Familien und Freundschaften. Indem Vatche Boulghourjians Drama uns das persönliche Schicksal seines anrührenden und hartnäckigen Helden vor Augen führt, erzählt es so spannend wie kontemplativ von Schweigen, Angst, aber auch von Zusammenhalt, Familienbanden und der Kraft der Musik.

Natürlich widmen sich einige Filme des Festivals auch den arabischen Revolutionen von 2011. So spielt der ägyptische Spielfilm »Clash« (Regie: Mohamed Diab) nach dem Militärputsch von 2013 symbolisch in einem Polizeitransporter, in dem sich Verhaftete aller Couleur heftige Wortgefechte liefern. So erhellend wie erschütternd beschäftigt sich die Regisseurin Obaidah Zytoon dagegen in ihrem preisgekrönten Dokumentarfilm »The War Show« mit dem Scheitern des syrischen Aufbruchs. Mit ihren ab 2011 privat gedrehten Bildern dokumentiert sie zunächst den milden zivilen Widerstand gegen das Terror-Regime von Assad in ihrem eigenen Freundeskreis. Wie der Bürgerkrieg dann ausufert und zum Massengrab für seine eigene Bevölkerung wird, darunter auch für die meisten von Zytoons Freunden, löst Beklemmung aus und ermöglicht einen sehr persönlichen, nie effektheischenden Blick aus dem Kriegsgeschehen heraus.

Der schöne fünfminütige Zeichentrickfilm »The Boy and the Sea« von Samer Ajouri stellt wiederum eine in kaleidoskopartigen Bildern komponierte Flucht aus den zerstörten urbanen Landschaften des syrischen Krieges in die Fantasiewelt des Meeres dar. Zum Schluss transportieren die Wellen die Bilder des Grauens in die Welt hinaus.

Zwischen zwei Erzähl- und Realitätsebenen changiert indes das mystische und mysteriöse Drama »Mimosas« (Regie: Oliver Laxe). Eine Karawane soll einem alten Scheich das letzte Geleit geben, die Natur, Banditen, ein seltsamer Prediger und der Tod werden zu ihren Begleitern.

Der sehenswerte Dokumentarfilm »Samir in the Dust« (Regie: Mohamed Ouzine) schließlich beobachtet einen jungen Mann, der seinen Lebensunterhalt mit dem Schmuggeln von vollen Benzinkanistern auf Mauleseln von Algerien nach Marokko verdient. Sein karges Leben, aber auch seine (Alb-)Träume und Sehnsüchte spiegelt der Film durch Gespräche - und durch die Schönheit der rauen Landschaft wider.

Vom 31. März bis zum 7. April u. a. in den Kinos Eiszeit, Arsenal und fsk. www.alfilm.de

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