Kein Schulz-Effekt

Internationale Presse

  • Lesedauer: 3 Min.

Mediapart, Frankreich

Was will Schulz?

Die Wahl im Saarland zwingt die SPD dazu, ihr Wahlprogramm und ihren politischen Kurs zu präzisieren. Was will Martin Schulz wirklich? Und inwiefern wird er die neoliberale Agenda von Gerhard Schröder korrigieren? Wird er offen inhaltliche Verhandlungen mit der LINKEN und den Grünen aufnehmen, um für ein Linksbündnis als Alternative zur Großen Koalition zu werben? Es ist bekannt, dass die bisherige Arbeit von Martin Schulz eher nach rechts tendierte, dass der Weg ins Kanzleramt durch die Mitte führt und dass sich ein nicht zu vernachlässigender Teil der älteren Wählerschaft in Westdeutschland immer noch gegen ein Bündnis mit der Protestlinken sträubt.

Times, Großbritannien

Abgerutscht im Saarland

Das war eine Überraschung, nachdem die rivalisierende SPD in bundesweiten Umfragen um zehn Prozentpunkte zugelegt hat, seit Martin Schulz, der Ex-Präsident des Europaparlaments, ihr Kanzlerkandidat wurde. Hingegen ist die SPD nun im Saarland abgerutscht. Das wird auch Merkels Verbündeten in der EU Mut machen.

La Repubblica, Italien

Eingefrorener Enthusiasmus

Die Wahl und der Sieg der CDU im Saarland zeigen, dass es keinen Schulz-Faktor gab. Die Wahl bestätigt grundlegend die Beliebtheit der Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer und das Vertrauen der Wähler in ihre Arbeit. Aber vor allem friert es den Enthusiasmus der SPD nach dem Boom in den Umfragewerten wegen der Kanzlerkandidatur von Schulz ein.

Der Standard, Österreich

Nicht in lichte Höhen

Vielleicht gibt es im Willy-Brandt-Haus in Berlin schon gar keinen Sekt mehr. So berauscht, wie die deutschen Sozialdemokraten in den vergangenen Wochen von Martin Schulz waren, bedurfte es eigentlich gar keiner alkoholischen Unterstützung mehr. Doch am Abend der Saar-Wahl hat der eine oder andere Genosse dann doch ein Gläschen zur Beruhigung gebraucht. Die Sozialdemokraten haben nicht massiv verloren, das ist ja schon mal was. Man kennt sehr viel desaströsere Wahlabende. Doch es ist auch nicht das passiert, was viele sich erhofft haben: dass der Schulz-Effekt so groß ist und zum Auftakt des Superwahljahres gleich einmal die SPD im Saarland in lichte Höhen zieht.

Neue Zürcher Zeitung, Schweiz

Lieber das spröde Bekannte

Der als Retter der SPD von Brüssel nach Berlin gewechselte neue Parteichef vermochte zwar die Wähler stark zu mobilisieren. Doch das Gleiche ist auch auf der Gegenseite geschehen. Die Politik ist dank ihm wieder interessanter, strittiger, wichtiger geworden. Die politischen Sachfragen hat der ganz auf Emotionen und Spektakel setzende Schulz bisher aber kaum beeinflusst. Und hier haben sich die Wähler für das Bekannte, das Funktionierende, das Zuverlässige entschieden: die Fortsetzung der schwarz-roten Regierung unter Führung der kompetenten, im spröden Stil der Bundeskanzlerin Merkel so ähnlichen CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer. Die Saarländerin war fünf Jahre im Amt, Merkel stellt sich nach zwölf Jahren zur Wiederwahl. Entscheidend könnte dann weniger die Wahl zwischen zwei politischen Blöcken sein als die Frage, ob die Bürger einfach ein neues Gesicht wünschen, das die nächste Große Koalition anführen soll.

Tages-Anzeiger, Schweiz

Rot-rotes Schreckgespenst

Hinter Schulz gibt es in der SPD einflussreiche Kräfte, die überzeugt sind, dass sich weder die Partei noch die europäische Führungsmacht Deutschland eine derart instabile Regierung leisten könnten. Ein Bündnis mit der LINKEN verbiete sich deswegen, ob es möglich sei oder nicht. Wie die Wahl im Herbst ausgehen wird, kann heute niemand vorhersagen. Eine Prognose liegt aber nahe: Je stärker die SPD auf Kosten der Grünen und der Linkspartei wird und je mehr die Sorge vor Rot-Rot gemäßigte Wähler vergrätzt, umso wahrscheinlicher wird eine neue Große Koalition. Ob Schulz sie am Ende als Kanzler anführen wird? Aus heutiger Sicht: eher nicht.

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