Angriffe gegen Ruhani

Geistlicher Führer Khamenei: Präsident bringt Zukunft der Revolution in Gefahr

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Freitag griffen in vielen iranischen Städten Geistliche in ihren Predigten die Politik der Regierung an. Die schärfste Kritik kam vom geistlichen Führer Ajatollah Ali Khamenei: Präsident Hassan Ruhani habe »voll und ganz versagt«, erklärte das Staatsoberhaupt: »Unser Land braucht eine neue Politik zum Wohle des Volkes.«

In der Öffentlichkeit ist das Erstaunen groß: Trotz der extremen Machtfülle des Ajatollah hält sich Khamenei in der Regel aus dem politischen Tagesgeschäft heraus. Zu groß sei die Gefahr in Machtkämpfe innerhalb des ausgesprochen komplexen Systems aus Politik, Klerus und Militär hinein gerissen zu werden, sagt der Politologe Hassan Fadavi von der Universität Teheran: »Der Ajatollah bezieht seine Legitimität vor allem aus seiner geistlichen Führungsrolle. Wenn er bei politischen Themen Stellung bezieht, macht er sich dabei zwangsläufig Feinde.«

Es sind keine normalen Zeiten: Im Mai ist Präsidentschaftswahl, gleichzeitig läuft die Suche nach einem Nachfolger für den schwer erkrankten Khamenei. Gewinnt Ruhani die Wahl dürfte das nächste Staatsoberhaupt aus dem Reformerlager stammen. Grund: Der Ajatollah wird vom Expertenrat gewählt, in dem die Reformer die Mehrheit haben. Die Kandidaten werden aber zuvor vom Wächterrat ausgesiebt, in dem die Konservativen die Mehrheit stellen - noch: Denn sollte Ruhani die Wahl gewinnen, kann er einen Teil des Wächterrats neu besetzen.

Munition gegen Ruhani lieferte das Repräsentantenhaus, wo man über die Forderung rechter Republikaner diskutierte, die Revolutionsgarden zur Terrororganisation zu erklären; ein symbolischer Akt zwar, da die Revolutionsgarden schon seit Jahren mit Sanktionen belegt sind. Doch auch Republikaner warnen, dass dies den Tonfall erheblich verschärfen und den Hardlinern Auftrieb geben würde. Bereits während der Debatte forderte Mohammad Ali Dschafari, Kommandeur der Revolutionsgarden, US-Schiffe zum Abzug aus dem Persischen Golf auf.

Der Präsident reagierte auf den politischen Gegenwind von allen Seiten, indem er zum ersten Mal selbst mit einer Aufkündigung des Atomabkommens drohte, falls die Sanktionen nicht aufgehoben werden. Zudem belegte das Parlament, in dem die Reformer die Mehrheit haben, 15 US-Firmen mit Sanktionen. Auch dies: rein symbolisch.

Der wirtschaftsliberale Präsident, der auf eine Anbindung an internationale Märkte setzt, hatte der Öffentlichkeit nach der Unterzeichnung des Atomabkommens große Hoffnungen gemacht: Mehr Arbeitsplätze, bessere Infrastruktur, höhere Löhne. Doch stattdessen steigen die Preise, grassiert die Arbeitslosigkeit, wurden Sozialleistungen zurückgefahren, sind die ausländischen Investitionen ausgeblieben. Denn sie werden vor allem durch die weiter bestehenden Sanktionen der USA behindert: Auch europäische Banken sind im Geldverkehr mit dem Iran aus Sorge vor juristischer Verfolgung in den USA ausgesprochen zurückhaltend.

In der Öffentlichkeit war man dennoch der Regierung gegenüber ausgesprochen nachsichtig: Er könne doch nichts dafür, wenn die USA, wie das im Iran überwiegend gesehen wird, »ihren Teil der Abmachung nicht einhalten«, ist schon seit Monaten immer wieder zu hören, und auch, dass es heute immer noch besser laufe, als vor fünf Jahren: Tatsächlich ist das Wirtschaftswachstum gestiegen, und die Arbeitslosigkeit zwar höher als vor dem Atomabkommen, aber niedriger als 2012, und viel niedriger als 2002.

Am Freitag wurde Ruhani regelrecht zum Staatsfeind erklärt: Durch die Öffnung nach außen habe er für Abhängigkeit gesorgt, und damit die »Zukunft der Revolution« in Gefahr gebracht, so Khamenei. Der Iran müsse wirtschaftlich vom Westen unabhängig bleiben.

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