Schriftgelehrter
Personalie
In Lüdinghausen, etwa 20 Kilometer südlich von Münster, führen die meist katholischen 24 000 Einwohner ein ruhiges Leben. Am Sonntagsmorgen rufen die Glocken zur Messe. Doch vor einem Jahr wurde diese idyllische Atmosphäre gestört. Eines Tages bemerkte ein Passant einen alten Toyota, dessen Heckscheibe mit einem derben Spruch in Riesenbuchstaben beklebt war: «Wir pilgern mit Martin Luther: Auf nach Rom! Die Papstsau Franz umbringen. Reformation ist geil!»
Der Passant erstattete Anzeige, die Polizei ermittelte. Einige Tage später fand man Täter und Auto: Auf der Rückscheibe stand nun ein neuer Spruch: «Kirche sucht moderne Werbeideen. Ich helfe. Unser Lieblingskünstler: Jesus - 2000 Jahre rumhängen und noch immer kein Krampf!»
Urheber des Spruchs war Albert Voß. Er wurde vom Amtsgericht wegen Gotteslästerung und Störung des öffentlichen Friedens zu einer Geldstrafe verurteilt. Doch ging er in Berufung - und erhielt am Freitag recht. Die Sprüche seien als Satire erkennbar und als Meinungsfreiheit gedeckt, sagte der Richter.
Der 68-Jährige arbeitete als Physiklehrer und ist jetzt im Ruhestand. Mit Martin Luther sowie dem Papst hat er nichts zu tun. Er bezeichnet sich als «gottfreier» Mensch«. In die Wiege gelegt war ihm das nicht. Voß stammt aus einem katholischen Elternhaus und war Messdiener. Später stellte er seine Religion infrage. Eines Tages, so hat er Journalisten erzählt, sah er ein mit einem Spruch aus einem Psalm beklebtes Auto. Da kam ihm die Idee, sein eigenes Auto auch zu bekleben - um darüber aufzuklären, was in der Heiligen Schrift wirklich steht.
So entstand 2014 das »Spruchtaxi«, das den Self-Made-Schriftgelehrten vor Gericht brachte. Darauf formuliert er die religiösen Weisheiten nur ein klein wenig um. So wird etwa aus Psalm 68, 24: »Herr, unser Bello schleckt so gerne Blut von Ungläubigen. Nun erschlag wieder einen!«
Jetzt will Voß ein größeres Auto: »Da hat man eine größere Fläche und kann vielleicht sogar mit zwei Sprüchen gleichzeitig durch die Gegend fahren.«
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