Ägypten verkauft zwei Inseln
Oberstes Gericht lässt Übergabe von Territorium an Saudi-Arabien zu
Es war ein Moment, wie ihn sich Ägyptens Staatspräsident Abdelfattah al-Sisi erhofft hatte: Ja, François Hollande, Angela Merkel, Wladimir Putin hatten ihm schon ihre Aufwartung gemacht, und sich gar zu kritische Worte verkniffen. »Aber ausgerechnet Washington hat uns gemieden, als wären wir Aussätzige«, sagte Scherif Ismail, Ägyptens Regierungschef und ein enger Vertrauter Sisis Anfang der Woche: Dabei spiele man doch eine so wichtige Rolle in der Region, sichere die Schifffahrtswege vom Mittelmeer zum Roten Meer, die Grenze zu Israel; »so behandelt man seine Freunde nicht.«
Aber Donald Trump, der US-Präsident, sei da glücklicherweise anders: Am Montag empfing er Sisi in Washington; ganze sechs Minuten, in Polit-Zeit eine Ewigkeit, traten die beiden dann vor die Presse, lobten sich gegenseitig, und Sisi lächelte. Er tut das nicht oft.
Eine neue Zeitrechnung in den US-amerikanisch-ägyptischen Beziehungen sei nun angebrochen, sagt Ministerpräsident Ismail und lässt keinen Zweifel daran, dass man in den vergangenen Jahren sehr unter der amerikanischen Zurückweisung gelitten hat: In der eigenen Lesart hatte man im Sommer 2013, die »Revolution«, die »Demokratie« vor den Muslimbrüdern gerettet, die damals den zwar demokratisch gewählten, aber islamisch-konservativen Präsidenten Mohammad Mursi stellten. Sisi, damals Generalstabschef, putschte gegen Mursi, setzte ihn ab und ergriff selbst die Macht. Im Angesicht von mittlerweile mindestens 40 000 politischen Häftlingen und einer nahezu durchgehend gleichgeschalteten Medienlandschaft ging vor allem US-Präsident Barack Obama auf Distanz; mehrere Besuche von Außenminister John Kerry waren bis vor Kurzem das Höchste der Gefühle.
Nun sieht sich die ägyptische Führung legitimiert, in ihrem Kurs bestätigt: »Wir sind froh, dass Präsident Trump versteht, wie wichtig unsere Rolle in der Region ist«, sagt Ismail. Doch dabei geht es nicht nur um das Ego eines Staatschefs, der sich in den Medien gerne mit den Pharaonen gleichsetzen lässt, immer wieder Großprojekte wie den Bau einer komplett neuen Hauptstadt auf die Tagesordnung bringt.
Im Umfeld von Sisi hofft man auch darauf, dass die US-Regierung die Ägypter vor den Irrungen und Wirrungen der regionalen Beziehungen rettet. Am Montag entschied das »Gericht für wichtige Angelegenheiten«, dass die beiden Inseln Sanafir und Tiran an Saudi-Arabien übergeben werden dürfen, nachdem der Oberste Gerichtshof zuvor den Deal blockiert hatte. Die Regierung gab bekannt, man sei nun »erleichtert«, während Sisi in Washington nahezu zeitgleich versuchte, einen Ausweg zu finden. Denn: Die Übergabe der beiden Inseln wird selbst von sonst felsenfesten Sisi-Anhängern heftig kritisiert; immer wieder kommt es zu Massendemonstrationen dagegen.
Dass man die Vereinbarung mit Saudi-Arabien dennoch schloss, liegt an der chronischen ägyptischen Finanznot: Das erzkonservative Königreich erklärte sich zu Milliardenhilfen bereit, wenn es dafür die beiden an der Einfahrt vom Roten Meer zum einzigen jordanischen Hafen Akaba und zur israelischen Hafenstadt Eilat gelegenen Eilande bekommt; Israel, das selbst seine inoffiziellen Beziehungen zu Saudi-Arabien ausbaut, erklärte sich einverstanden. Damit will Riad seine internationale Bedeutung ausbauen; auf den Inseln selbst ist eine internationale Beobachtertruppe stationiert.
Doch mit der Vereinbarung kamen auch weitere Verpflichtungen: Kairo sollte auf Distanz zum saudischen Erzfeind Iran gehen, sich stärker in der Militärallianz gegen die Huthi-Milizen in Jemen engagieren. All dies zusammen genommen, sorgte in der Öffentlichkeit für die Befürchtung, Saudi-Arabien könne versuchen, seine strengen Glaubensauslegungen nach Ägypten zu exportieren. Außerdem ist der barbarische Krieg des Königreichs gegen Jemen angesichts der vielen zivilen Opfer sehr unpopulär.
Sisi beließ es deshalb in Washington nicht bei netten Worten. Er übergab Trump eine milliardenschwere Wunschliste Ägyptens an Militär- und Finanzhilfen.
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