Russland: Syrische Luftwaffe traf Giftgasdepot von Rebellen

Verteidigungsministerium in Moskau legte Erklärung vor / Zahl der Toten auf 72 gestiegen / Konferenz in Brüssel beschäftigt sich mit Hilfen für Zivilbevölkerung

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Moskau. Bei dem Luftangriff auf die Stadt Chan Scheichun im Nordwesten Syriens hat die syrische Luftwaffe nach Angaben der russischen Regierung ein von Rebellen genutztes Lager mit Giftstoffen getroffen. Aus »objektiven Daten« der russischen Luftraumkontrolle gehe hervor, dass die syrische Luftwaffe ein »großes Lager von Terroristen« in der Nähe der Stadt bombardiert habe, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am Mittwoch mit.

In dem Lager habe sich eine »Werkstatt zum Bau von Bomben« befunden, erklärte das Verteidigungsministerium. Dort seien Giftstoffe gelagert worden. Moskau äußerte sich nicht dazu, ob die syrische Luftwaffe das Lager versehentlich oder absichtlich bombardierte. Die Giftstoffe wurden der russischen Darstellung zufolge von »Kämpfern aus Irak« beschafft. Diese Informationen seien »absolut glaubwürdig und objektiv«.

Der mutmaßliche Giftgas-Angriff in der nordwestlichen Provinz Idlib hatte am Dienstag international für Entsetzen gesorgt. Wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Mittwoch mitteilte, stieg die Zahl der Todesopfer inzwischen auf mindestens 72. Unter den Toten sind demnach 20 Kinder und 17 Frauen. Bislang war von 58 Toten die Rede gewesen. Nach Angaben der Beobachtungsstelle gibt es auch noch Vermisste. Sie vermutet daher, dass die Opferzahl weiter steigen könnte.

Die Rebellen hatten die Streitkräfte von Machthaber Baschar al-Assad für den Angriff verantwortlich gemacht. Die syrische Armee wies jegliche Verantwortung »kategorisch« zurück. Sie habe niemals Giftgas eingesetzt und werde dies auch künftig nicht tun. Vielmehr seien »terroristische Gruppen« verantwortlich.

Nach UN-Untersuchungen haben im Syrien-Konflikt sowohl die Regierung als auch die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) bereits Giftgas eingesetzt. Moskau unterstützt die Assad-Regierung militärisch im Kampf gegen die Aufständischen In Syrien.

Die Beobachtungsstelle, die den bewaffneten Rebellen nahesteht, stützt sich auf ein Netz von Informanten in Syrien. Von unabhängiger Seite sind ihre Angaben nur schwer zu überprüfen.

Gabriel verspricht weitere Hilfszahlungen für Syrien und seine Nachbarländer

Unterdessen hat Außenminister Sigmar Gabriel am Rande einer internationalen Syrien-Konferenz in Brüssel an diesem Mittwoch weitere rund 1,3 Milliarden Euro für humanitäre Hilfe in Syrien und den Nachbarländern in Aussicht gestellt. Deutschland habe im vergangenen Jahr 1,3 Milliarden Euro für etwa anderthalb, zwei Jahre zur Verfügung gestellt, »wir sind bereit, etwa den gleichen Betrag wieder aufzubringen für dieses und für das kommende Jahr, einfach weil die Lage vor allem in den Nachbarstaaten dramatisch ist«, sagte Gabriel am Mittwoch vor dem zweiten Tag der Syrien-Konferenz. Zugleich erklärte Gabriel, durch den Kampf gegen den Terrorismus in Syrien dürfe nicht der politische Prozess für eine Demokratisierung Syriens, für eine Verfassungsreform und für Neuwahlen ins Hintertreffen geraten. Die Syrien-Konferenz, bei der Deutschland neben der EU, den Vereinten Nationen und weiteren Staaten zu den Gastgebern gehört, wollte am Mittwoch unter anderem über neue Hilfsgelder und den Wiederaufbau des Landes nach dem Krieg beraten.

Mit Blick auf den mutmaßlichen Einsatz von Giftgas am Dienstag in Syrien sagte Gabriel, es sei richtig, dass sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen damit beschäftigen wolle. Er appellierte »auch an Russland, dieser Sicherheitsresolution zuzustimmen, den Fall zu untersuchen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen«. Die Debatte, wer verantwortlich für den Einsatz sei, gehöre in den Sicherheitsrat. Agenturen/nd

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