Ein Bürger-Blitzer und die Meinungsfreiheit

Am Bodensee will ein Anwohner mit einer Radarfallen-Atrappe für Ruhe sorgen - die Behörden sehen kein Problem

  • Kathrin Drinkuth, Markdorf
  • Lesedauer: 3 Min.

Erst bremst das eine Auto ab, dann ein zweites und ein drittes. Kein Fahrer will von dem Blitzer an der Bundesstraße 33 bei Markdorf am Bodensee erwischt werden. Dabei ist die Radarkontrolle gar nicht echt - ein Anwohner hat sie aus einem Kanalrohr nachgebaut. Die schwarze Säule sieht täuschend echt aus, in den kleinen Fenstern meint man im Vorbeifahren sogar eine Kamera zu erkennen.

Wie genau er den Tempo-Messer gebastelt hat und warum, will der Mann aber nicht verraten. Er habe im Internet viel Kritik dafür einstecken müssen, manche Autofahrer seien sogar so verärgert, dass sie laut hupend an seinem Haus vorbei führen, sagt er. Auch andernorts kamen Bürger schon auf ähnliche Ideen - legal ist das aber nicht immer.

Die Behörden bleiben angesichts des Fake-Blitzers im baden-württembergischen Markdorf aber ziemlich entspannt: »Wir haben das geprüft und uns entschieden, es nicht zu beanstanden«, so ein Sprecher des Landratsamtes. Der Verkehr werde durch die falsche Radarkontrolle nicht gestört. »Es blitzt nicht, es blendet nicht. Für uns ist das unproblematisch.«

Ähnlich sehen es die Stadt Markdorf und der zuständige Gemeindeverwaltungsverband. Zwar müssen Bauwerke einen bestimmten Abstand zur Straße und auch ein gewisses Format einhalten. Der falsche Blitzer werde aber trotzdem geduldet, sagt Hauptamtsleiter Klaus Schiele. Es gebe keine Notwendigkeit einzuschreiten. »Wir werden uns dann wieder um die Angelegenheit kümmern, wenn wir wirklich einen Grund dafür haben. Und den sehen wir im Moment nicht.« Die Idee des Mannes sei eine kreative Lösung und »eine besondere Ausdrucksweise von Meinungsfreiheit«, sagt Schiele weiter. »Wir haben dem eine Chance gegeben.« Zudem sei die Intention des Anwohners grundsätzlich verständlich: Der Mann wünsche sich in der Nähe einen Blitzer - der ist aber laut Landratsamt momentan nicht geplant.

Der Blitzer-Bauer vom Bodensee ist nicht der erste, der einen kreativen Umgang mit seinem Ärger über Raser pflegt: Im Ruhrgebiet hatten Anwohner der Stadt Moers 2011 eine Radarfalle aus einem Vogelhäuschen nachgebaut. Der »Starenkasten« hatte obendrein ein Herz für Tiere - mit einem Einflugloch für kleine Vögel auf der Rückseite. Zuvor hatten sich die Nachbarn bei der Stadt vergeblich für eine Verkehrsberuhigung eingesetzt. Die Kommune blieb aber ebenfalls entspannt. »Wir haben das Häuschen vor Ort angeschaut und festgestellt, dass alles seine Richtigkeit hat«, sagte ein Stadtsprecher damals.

Weniger legal war dagegen eine Attrappe in Sachsen-Anhalt: 2015 hatten dort Unbekannte eine falsche Radarkontrolle aus einem Vogelhäuschen gebaut. Im Inneren war jedoch auch eine Fahrrad-Rückleuchte installiert, die rot blinkte. Zudem hatten die Täter mit weißer Farbe an zwei Stellen die Zahl »50« auf die Fahrbahn gesprüht.

Wie sehr sich Menschen über solche Attrappen aber offenbar auch ärgern können, zeigt ein Fall aus dem Jahr 2005: Unbekannte hatten im Saarland einen falschen Blitzer mit einer Ladung Sprengstoff in die Luft gejagt - laut Polizei flogen die Teile bis zu 30 Meter weit.

Viel Lob bekam dagegen das Landratsamt Friedrichshafen für einen ganz anderen Fake-Blitzer: Mitarbeiter der Behörde hatten 2012 einen ausrangierten Starenkasten zum Vogelnistplatz umgebaut und vor einem Fenster des Bauamtes an einen Baum gehängt. Der Erfolg kam umgehend: In dem Kasten nisteten schon diverse Vogelpärchen. dpa/nd

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