Ägypten ruft nach Anschlägen den Ausnahmezustand aus

Mindestens 44 Tote bei zwei Bombenexplosionen in koptischen Kirchen / IS reklamiert Angriffe für sich / Auswärtiges Amt spricht von erhöhter Gefahr

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Kairo. Eine Woche vor Ostern sind bei einem Doppelanschlag auf koptische Kirchen in Ägypten mindestens 44 Menschen getötet worden. Vor der Kathedrale in Alexandria riss ein Selbstmordattentäter 17 Menschen mit in den Tod. Wenige Stunden zuvor hatte ein Selbstmordattentäter in einer Kirche in Tanta mindestens 27 Menschen getötet. Die Dschihadistenmiliz IS reklamierte die Taten für sich. Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi rief einen dreimonatigen Ausnahmezustand aus.

Es handelte sich um die blutigsten Anschläge auf die Minderheit der koptischen Christen in Ägypten seit langem, insgesamt wurden rund 120 Menschen verletzt. Noch Schlimmeres konnte möglicherweise verhindert werden, weil Sicherheitskräfte nach Angaben des Innenministeriums den Selbstmordattentäter von Alexandria am Betreten der St.-Markus-Kathedrale hinderten. Der Mann habe sich dann in die Luft gesprengt. Kopten-Papst Tawadros II., der dort die Messe gelesen hatte, hatte die Kirche zu dem Zeitpunkt schon verlassen, wie ein Kirchensprecher sagte.

Der erste Anschlag am Palmsonntag hatte die Mar-Girgis-Kirche in der Stadt Tanta getroffen. »Die Explosion ereignete sich in den vorderen Reihen, in der Nähe des Altars während der Messe«, sagte Vize-Innenminister Tarek Atija. Die ersten Anschlagsopfer wurden bereits am Sonntagabend beigesetzt. In Alexandria erwiesen hunderte Kopten den Toten die letzte Ehren.

Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte beide Anschläge für sich. »Kommandos des Islamischen Staats haben die Angriffe auf die beiden Kirchen in Tanta und Alexandria ausgeführt«, erklärte die Agentur Amaq, das Propaganda-Sprachrohr des IS. Zugleich wurde mit weiteren Anschlägen gedroht.

Die Anschläge ereigneten sich kurz vor dem Ägypten-Besuch von Papst Franziskus, der für den 28. und 29. April geplant ist. Das katholische Kirchenoberhaupt sprach Tawadros II., den Kopten und allen Ägyptern am Sonntag sein »tiefes Beileid« aus. Er bete für die Toten und Verletzten, erklärte Franziskus. »Möge der Herr das Herz der Menschen, die Terror, Gewalt und Tod säen, bekehren und auch das Herz derer, die Waffenhandel betreiben.«

Die Kopten sind die größte christliche Glaubensgemeinschaft im Nahen Osten und machen etwa zehn Prozent der mehr als 90 Millionen Einwohner Ägyptens aus. Die Minderheit sieht sich immer wieder gewaltsamen Angriffen ausgesetzt.

Im Dezember vergangenen Jahres hatte sich ein Selbstmordattentäter während einer Sonntagsmesse in der koptischen Kirche St. Peter und Paul in Kairo in die Luft gesprengt. 29 Menschen wurden damals getötet. Im Februar hatte der IS in einem Video zu Gewalt gegen Ägyptens Kopten aufgerufen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verurteilte die Attentate. Während die Gläubigen »friedlich am Palmsonntag Gottesdienst feierten, wurden sie feige ermordet«. Auch US-Präsident Donald Trump verurteilte den Anschlag. Er habe »großes Vertrauen«, dass Präsident al-Sisi richtig mit der Situation umgehe, schrieb er im Kurzbotschaftendienst Twitter. Der UN-Sicherheitsrat erklärte, es habe sich um einen »feigen« Anschlag gehandelt.

Das Auswärtige Amt wies nach den Anschlägen auch auf das Terrorrisiko für Ausländer in Ägypten hin. »Es besteht landesweit ein erhöhtes Risiko terroristischer Anschläge und die Gefahr von Entführungen. Diese können sich auch gegen ausländische Ziele und Staatsbürger richten«, teilte das AA am Montag in Berlin mit. Bei Reisen nach Ägypten einschließlich der Touristengebiete am Roten Meer werde generell zu Vorsicht geraten.

Der Kampf gegen die Dschihadisten in Ägypten werde »lang und schmerzhaft sein«, sagte al-Sisi. Er ordnete den landesweiten Einsatz von Armeeeinheiten an, um die Polizei beim Schutz wichtiger Infrastruktureinrichtungen zu unterstützen. Dem Ausnahmezustand muss nach der ägyptischen Verfassung noch das Parlament zustimmen.

Das Parlament wird von den Anhängern al-Sisis dominiert, der im Jahr 2013 seinen demokratisch gewählten Vorgänger Mohamed Mursi stürzte. Proteste ließ der ehemalige Armeechef gewaltsam niederschlagen. Der Ausnahmezustand erweitert unter anderem die Befugnisse der Polizei bei Festnahmen. In Ägypten herrschte Jahrzehnte lang der Ausnahmezustand. Agenturen/nd

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