Den Verkehr vorhersagen

Die Technische Universität will Autos beibringen, alleine zu fahren

  • Ellen Wesemüller
  • Lesedauer: 3 Min.

Es soll eine Revolution werden auf einer der am stärksten befahrenen Straßen der Stadt: Anfang April hat die Technische Universität Förderung erhalten, um auf der Straße des 17. Juni automatisiertes Autofahren zu testen. Schon im Herbst sollen die ersten Testautos fahren.

Die Forscher arbeiten daran, dass Autos nicht nur die Verkehrslage erfassen, also bestimmte Bilder auswerten können. Knifflig wird es, den Bordcomputern beizubringen, Situationen vorauszusehen. Wenn ein Radfahrer einem parkenden Auto ausweicht, ist das für einen Autofahrer zum Beispiel eine erwartbare Situation. Für einen Computer ist es ein Problem.

Bevor die Testautos auf die Straße kommen, sollen Kameras an den Gebäuden installiert werden, die die Verkehrsführung, wie den komplizierten Kreisverkehr am Ernst-Reuter-Platz, erfassen sollen. Die Projektmacher haben dafür auch mit Datenschützern gesprochen: »Die Kameras werden sehr hoch angebracht, wir sehen da weder Gesichter noch Kennzeichen«, sagt Ilja Radusch, der das Projekt für das Fraunhofer-Institut »Fokus« begleitet.

In Deutschland dürfen keine fahrerlosen Autos fahren, Ausnahmen gibt es für bestimmte Fahrzeugtypen, so auch für das Mercedes-Modell, eins der drei Autos, die die Strecke testen sollen. Ein ausgebildeter Softwareentwickler fährt zunächst mit, um im Notfall einzugreifen. Bis zum Ende des Projekts, im Juni 2019, soll das Auto alleine fahren können. Die Straße muss dafür nicht gesperrt werden.

Die Software hat das Fraunhofer-Institut bereits entwickelt, nun geht es darum, sie anzuwenden. Wie lernt der Computer - vor allem, wie lernt er nicht das Falsche? »Dem Auto darf nicht beigebracht werden können, wie ein wilder Rowdy durch die Gegend zu fahren«, so Radusch.

Das Projekt fördert das Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur. An die TU fließen über 27 Monate 3,7 Millionen Euro. Den Förderantrag unterstützt hat der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), noch zu Zeiten von Rot-Schwarz. Die neue Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) will am Projekt als »Infrastrukturpartner« mitarbeiten und sieht sich als »Schnittstelle« zu den beteiligten Bezirken Mitte und Reinickendorf.

Doch das Projekt weist weit über Berlin hinaus. Unternehmen aus dem Ausland könnten das offene System zur Erprobung eigener Produkte nutzen. »Apple hat bereits Interesse geäußert«, sagte der Projektleiter Sahin Albayarak jüngst der »Berliner Zeitung«. Bei Apple gibt man sich zugeknöpft: »Kein Kommentar«, sagt Unternehmenssprecher Tobias Fröhlich.

Radusch sagt, dass die Software nicht sofort in andere Länder übertragbar sei: »Welche Erwartungen ich habe, was gleich im Verkehr passiert, sieht in jedem Land anders aus. Das wird Ihnen jeder bestätigen, der einmal im Urlaub in Italien war.«

Neben dem Fraunhofer-Institut und dem Daimler Center sei die BVG an dem Forschungsvorhaben beteiligt, heißt es auf der Homepage. Petra Reetz, Sprecherin der BVG, weiß jedoch nichts davon: »Ich habe das auch nur in der Zeitung gelesen.« Radusch gibt zu: »Die BVG ist am Projekt nicht konkret beteiligt.« Allerdings sei man mit den Verkehrsbetrieben im Gespräch, um die Forschungsergebnisse auch auf Kleinbusse anzuwenden. »Die Algorithmen kann man so eins zu eins übertragen.«

Das Projekt soll noch auf andere Straßen ausgedehnt werden: Für ein zweites Testfeld in Reinickendorf beantrage man gerade Gelder, sagt Radusch. Und was heißt das für die Berliner? Nichts, sagt die Senatsverwaltung: »Da es sich um ein reines Testfeld handelt, muss nicht befürchtet werden, dass es für die Berliner zu Änderungen kommt.«

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