Mossul makaber: Die »behutsame« Schlacht
Die Akteure des Kampfes gegen die Dschihadisten in Irak schweigen zu zivilen Opfern und eigenen Verlusten
Wie hoch die Zahl der Opfer bislang ist? Niemand kann das zuverlässig sagen; die medizinische Infrastruktur rund um Mossul sei »bis zum Bersten belastet«, sagt ein Sprecher des Roten Halbmondes in Bagdad. Die irakische Regierung, das Militär, die US-Truppen, die die Iraker aus der Luft und mit Militärberatern - einem Euphemismus für Spezialkräfte - unterstützen, wollen sich indes nicht zu zivilen Opfern und eigenen Verlusten äußern. Stattdessen drückt man es so aus: »Um Zivilisten zu schützen, gehen unsere Truppen zurzeit langsam und behutsam vor.«
Stattdessen verbreitet die irakische Regierung ein Bild der Normalität, die nun in den Ostteil der Großstadt zurückkehrt, den man jetzt offiziell unter Kontrolle hat: Vor allem westlichen Journalisten zeigt das Militär gerne unverschleierte Frauen auf der Straße, Aufräumarbeiten in der verwüsteten Universität, Schulen, in denen Kindern nun beigebracht wird, dass die Lehren des Islamischen Staates in den vergangenen Jahren Unfug waren. »Tatsächlich ist es aber so, dass die Sicherheitslage immer noch sehr schlecht ist«, sagt ein Einwohner des Ostteils. Längst seien die vom IS gesetzten Sprengfallen nicht überall geräumt worden; immer wieder drängen IS-Kämpfer in Stadtteile unter Regierungskontrolle ein, nähmen dort »menschliche Schutzschilde« - meist mit tödlichem Ausgang für Geiselnehmer und Geiseln, sagen Ärzte des Roten Halbmondes; im Kampf um Mossul werde auf beiden Seiten mit harten Bandagen gekämpft. Dabei ist der Konflikt längst nicht auf Mossul beschränkt. Zuletzt griffen IS-Kämpfer Tikrit an, von wo der IS offiziell schon im März 2015 vertrieben wurde; mindestens 31 Menschen starben. Als Polizisten verkleidet, waren die IS-Terroristen unbehelligt in die Stadt gefahren und hatten dort das Feuer eröffnet. Zwei Attentäter zündeten Bomben. Nahezu wöchentlich kommen solche Attentate vor.
Offiziell verkünden Regierungssprecher, der IS befinde sich auf dem Rückzug; das Gebiet unter seiner Kontrolle werde »von Tag zu Tag« kleiner. Doch jenseits der Mikrofone tagt Regierungschef Haider al-Abadi derzeit täglich mit ausländischen Diplomaten, Vertretern des irakischen, des amerikanischen Militärs und der iranischen Revolutionsgarden. »Wir befinden uns in einer Situation, in der wir einen Zerfall unseres Landes befürchten müssen«, sagte Rageh Saber Abbood Al-Musawi, Iraks Botschafter in Iran. Es gebe zu viele Kräfte, die in Irak um Einfluss kämpfen.
Und der saudische Außenminister Adel al-Dschubeir reiste, nachdem in den Beziehungen zwischen beiden Ländern 25 Jahre lang weitgehende Funkstille geherrscht hatte, am Dienstag bereits zum zweiten Mal innerhalb von zwei Monaten nach Bagdad, während Irans Präsident Hassan Ruhani Saudi-Arabien nahezu zeitgleich eine Zusammenarbeit in der Causa Irak anbot: Man müsse aufhören sich gegenseitig als Aggressor zu betrachten, während die wahre Gefahr für beide Länder in Irak liege, so Ruhani; man dürfe nicht riskieren, dass durch die Gewalt die gesamte Region in Mitleidenschaft gezogen werde. Saudi-Arabien und Iran sind Erzrivalen, Aussagen wie die Ruhanis eine ausgesprochene Seltenheit.
Doch bei beiden Regierungen ist die Besorgnis über Irak groß, was aber auch daran liegt, dass man selbst dort bislang einen Stellvertreterkonflikt gegeneinander führt, über den man mittlerweile die Kontrolle zu verlieren droht: An der Seite der irakischen Regierung kämpfen von Iran unterstützte schiitische und von Saudi-Arabien geförderte sunnitische Milizen, die gegeneinander um Einfluss ringen. So kam es in Bagdad und anderen Städten vermehrt zu Schießereien zwischen solchen Milizen.
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