Die Vermessung der Unterwelt von Bilzingsleben

Thüringen: Im heutigen Kreis Sömmerda wurde einst ein Lagerplatz von Frühmenschen entdeckt - Studenten suchen derzeit nach weiteren Funden

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Bilzingsleben. Es ist ein seltsamer Karren, der bei Bilzingsleben (Landkreis Sömmerda/Thüringen) über das grüne Feld geschoben wird. Der Wagenlenker orientiert sich an einer Schnur, die fünf Bahnen sind jeweils 30 Meter lang. Was so außergewöhnlich aussieht, ist ein Magnetometer - ein Messgerät, das geringste Abweichungen vom natürlichen Magnetfeld der Erde registriert. Das können Abfallgruben sein, Brandstellen oder metallische Teile.

»Wir erstellen eine Bodenübersicht, vergleichbar mit einem Ultraschallbild«, sagt Archäologiestudent Martin Starick. Zusammen mit elf Kommilitonen, alle Studenten der Archäologie der Universität Halle, arbeitet er an diesem Vermessungsprojekt. Bekannt wurde Bilzingsleben in den 1970er Jahren, als hier ein Frühmensch entdeckt wurde, den man bis dahin in Deutschland nicht kannte. Der Fund gehörte zu den ältesten menschlichen Spuren. Vor rund 370 000 Jahren war das ein Lagerplatz der Frühmenschen, »homo erectus«, der in Thüringen den Namen »Homo erectus bilzingslebensis« bekam. Diese Gattung konnte aufrecht gehen und war vor etwa zwei Millionen Jahren aus Afrika ausgewandert. Neben Schädelknochen wurden auch Knochensplitter mit eingeritzten Linien entdeckt. Ein Beleg für die Intelligenz dieser Menschen.

Das jetzige Feld liegt in Sichtweite des alten Lagerplatzes. »Längst sind noch nicht alle Rätsel um die Besiedlung dieser Fläche gelöst«, sagt der Professor für Prähistorische Archäologie Mitteleuropas an der Universität Halle, François Bertemes. »Es geht dabei um einen Überblick der Siedlungsintensität, um das Erstellen einer Mikroregion-Analyse.« Das Gebiet wurde seit dem »homo erectus bilzingslebensis« immer wieder besiedelt, vor etwa 20 000 Jahren, vor rund 7000, dann wieder vor rund 3000 Jahren und im Mittelalter. »Das Projekt soll Auskunft geben, was in diesen großen Zeiträumen geschah.« Dafür werden auch Oberflächenfunde gesammelt und kartiert. »Kombiniert man die Ergebnisse beider Methoden miteinander, erhält man einen recht genauen Überblick über die Siedlungsaktivitäten, ohne in den Boden eingreifen zu müssen«, sagt Bertemes. Das Projekt wird schätzungsweise fünf Jahre dauern und auch künftigen Studenten zur Ausbildung dienen.

Fest steht: Unter dem aktuellen Messfeld befindet sich eine Urnenbegräbnisstätte aus der Zeit vor etwa 2000 Jahren. »Wir wissen das auch, weil es hier in den 1960er Jahren kleinere Grabungen in dem Urnengräberfeld gab, um die Gräber vor der Zerstörung durch das Pflügen zu retten«, sagt Starick. Laut Bertemes zeichnen sich mittlerweile auch 7000 Jahre alte Hausgrundrisse sowie Pfosten eines großen, vermutlich 4000 Jahre alten frühbronzezeitlichen Langbaus ab. Ebenso ergaben die Magnetmessungen eine zirka 5200 Jahre alte Trapezgrabenanlage der Baalberger Kultur, die hier existierte.

Bilzingsleben gehörte bis zur Wende zum DDR-Bezirk Halle. Nach einem Abkommen von Thüringen und Sachsen-Anhalt kamen alle Funde von vor 1992 nach Halle, die späteren Funde nach Weimar. dpa/nd

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