Uns eint die Forderung nach Umverteilung

Grünen-Fraktionsvize Frithjof Schmidt sieht Fortschritte bei der rot-rot-grünen Annäherung

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.

Bundestagsabgeordnete von SPD, LINKEN und Grünen haben im vergangenen Jahr einige größere gemeinsame Treffen veranstaltet. Hat sich seitdem atmosphärisch etwas zwischen den drei Parteien verändert?
Wir haben bei dem ersten Treffen gemeinsam mit dem Sozialphilosophen Oskar Negt gesagt, dass es sich um eine Lockerungsübung im größeren Kreis handelt. Und das hat gut funktioniert. Wir wollen Optionen sondieren. Das hat auch eine positive Auswirkung gehabt. Wir hatten eine große Aufmerksamkeit durch das erste Treffen. In den Parteien hat der Trialog sehr viel Zustimmung erfahren.

Der nächste Termin ist für den 25. April geplant. Warum hat es so lange gedauert, bis der Trialog wieder aufgenommen wurde?
Wir hatten einen Termin zur Europapolitik im Januar geplant, der aber wegen der Inthronisierung des neuen SPD-Vorsitzenden Martin Schulz abgesagt werden musste. Im Februar haben wir dann sondiert, wie wir weiter verfahren wollen.

Zur Person

Frithjof Schmidt ist stellvertretender Fraktionschef der Grünen im Bundestag. Er gehört zu den Organisatoren des Trialogs von Abgeordneten seiner Partei, der SPD und der LINKEN. Über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Mitte-links-Parteien sprach mit dem Außenpolitiker nd-Redakteur Aert van Riel.

Worum soll es thematisch gehen?
Nun soll es um rot-rot-grüne Erfahrungen auf Landesebene gehen. Deswegen haben wir aus Berlin und Thüringen die Regierungschefs Michael Müller (SPD) und Bodo Ramelow (LINKE) sowie ihre Stellvertreterinnen von den Grünen eingeladen.

Wollen Sie die Debatte zur Europapolitik nicht nachholen?
Wir streben das an, aber terminlich ist das schwierig.

Sehen Sie in diesem Themenbereich sowie in der Außenpolitik insgesamt die größten Differenzen zwischen SPD und Grünen auf der einen sowie der Linkspartei auf der anderen Seite?
Diese bestehenden Unterschiede spielen auf jeden Fall in der Bundespolitik eine deutlich größere Rolle als in der Landespolitik, wo es bereits rot-rot-grüne Bündnisse gibt. Es geht um die internationale Einbindung Deutschlands in die Europäische Union, in die NATO und in die UNO. Da gibt es Differenzen zwischen uns und wichtigen Teilen der Linkspartei. Aber die LINKE führt hierzu auch interessante Diskussionen und vertritt durchaus unterschiedliche Positionen in der Europapolitik.

Wo sehen Sie dagegen rot-rot-grüne Anknüpfungspunkte?
Wir haben in wichtigen Teilen der Wirtschafts- und der Sozialpolitik große Gemeinsamkeiten, wo linke Politik auf bestimmte Umverteilung setzt. Alle Diskussionen haben gezeigt, dass es da zwar auch viele Unterschiede gibt, aber dass es qualitativ die Felder sind, wo man die meisten Schnittmengen findet.

Der SPD-Politiker Karl Lauterbach hat kürzlich gefordert, die Gespräche einzustellen. Warum ist aus Ihrer Sicht die Fortsetzung des Annäherungsprozesses auch in Wahlkampfzeiten, in denen jede Partei für sich allein kämpft, richtig?
Wir wollen die Gespräche bis zur Sommerpause fortsetzen. In der heißen Wahlkampfphase, die dann beginnt, werden wir den Trialog mit Beginn der Sitzungspause des Bundestags dann einstellen. Insofern liegt Herr Lauterbach richtig. Aber wenn wir nun die Landtagswahlen zum Maßstab nehmen würden, dann könnten wir solche Gespräche überhaupt nicht mehr führen.

Ist es Ihnen auch gelungen, Skeptiker in den eigenen Reihen einzubinden?
Ja. An den ersten Diskussionen haben auch viele Vertreter aus den Parteien teilgenommen, die eine gewisse Skepsis hatten, aber nun die Meinung vertreten, dass es sehr interessant und sehr wichtig sei, ins Gespräch zu kommen.

Laut Umfragen wollen mehr Wähler eine Fortsetzung der Große Koalition als Rot-Rot-Grün. Ist das für Sie eine Ernüchterung?
Nein. Wenn man Wähler von Union und SPD fragt, ob sie zur Not auch Schwarz-Rot befürworten würden, damit die eigene Partei weiter regiert, dann antworten viele natürlich mit Ja. Das ist statistisch eine relevante Größe. Aber ich denke, dass es im Wahlkampf eine zentrale Rolle spielen wird, ob ein Politikangebot ohne Beteiligung der Union möglich ist. Dann sieht man am Ende, ob dafür eine Mehrheit zustande kommt oder nicht.

Glauben Sie also, dass es gesellschaftliche Mehrheiten für Rot-Rot-Grün geben kann?
Ja. Deswegen werden wir uns nun mit der Regierungspolitik in den Ländern beschäftigen. Da haben wir einen gewissen Gradmesser, wie sich die Akzeptanz entwickelt. Das wird eine interessante Frage des Wahlkampfs sein, in den keine Partei mehr mit einer bestimmten Koalitionsaussage gehen wird.

Auch die Grünen geben keine Koalitionsaussage ab, sondern sind offen für alle Bündnisse ohne die AfD. Was wären für Sie die Mindestbedingungen für eine Bundesregierung, in der Ihre Partei beteiligt wäre?
Ich halte nichts davon, Mindestbedingungen oder sogenannte Knackpunkte zu formulieren. Wir wollen natürlich von unserem gesamten Programm her eine Bundesregierung, die ein ökologisches Reformprogramm verfolgt, die sozial ausgerichtet ist und die Deutschland international einbindet. Wichtig ist, dass die deutsche Politik proeuropäisch ausgerichtet ist und die Vereinten Nationen unterstützt im Bereich der Klimapolitik, der Entwicklungszusammenarbeit und bei friedenserhaltenden Missionen.

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